Michael Schöllhorn, Chef des Rüstungsunternehmens Airbus Defence and Space, widerspricht der Darstellung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wonach für einen Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine Bundeswehrsoldaten nötig seien. „Gäbe es den Willen für eine Lieferung, würde man technologische Lösungen finden, um den Taurus ohne deutsche Beteiligung in der Ukraine einzusetzen“, sagte Schöllhorn dem „Spiegel“.
Die Entscheidung des Kanzlers sei nicht technisch, sondern politisch begründet. „Aber ich kann die politischen Argumente nachvollziehen“, so Schöllhorn. Zudem kündigte er an, dass künftig auch der Eurofighter in der Lage sein werde, das weitreichende Waffensystem zu tragen. „Der Eurofighter kann den Taurus tragen“, sagte Schöllhorn und wies damit die Auffassung des Kanzleramts zurück, wonach nur der Tornado-Kampfjet dazu imstande sei, nicht aber der Eurofighter.
Mit dieser Begründung hatte das Kanzleramt die Idee verworfen, an Großbritannien Taurus-Waffen abzugeben, damit London weitere Storm-Shadow-Marschflugkörper aus seinen Beständen an Kiew geben könne. Die britische Armee fliegt den Eurofighter. „Vor fast zehn Jahren hat Airbus der Bundeswehr erstmals vorgeschlagen, den Taurus auch mit Eurofightern in die Luft zu bringen. Damals war das nicht gewünscht. Nicht nötig, hieß es, solange der Tornado noch fliegt“, sagte Schöllhorn. „Ich gehe nun davon aus, dass der Eurofighter für den Einsatz des Taurus zertifiziert werden wird“, kündigte er an.
Zudem fordert er von der Bundesregierung die rasche Bestellung weiterer rund 50 Eurofighter-Kampfjets. „Wir brauchen vor der Bundestagswahl eine verlässliche Zusage der Bundesregierung, dass die fünfte Tranche kommt. Sonst brechen uns die Zulieferbetriebe weg“, sagte Schöllhorn. Diese schauten sich bereits heute nach alternativen Geschäftsfeldern etwa in der zivilen Luftfahrt um. „Die Bundesregierung muss Planungssicherheit schaffen, in Form von Bestellungen oder, idealerweise, langfristigen Abnahmegarantien. Davon hängt unsere Kriegstüchtigkeit ab, über die Verteidigungsminister Pistorius spricht“, mahnt Schöllhorn.
Der Firmenchef verteidigte die Lieferung von 48 Eurofightern aus britisch-spanisch-italienisch-deutscher Gemeinschaftsproduktion nach Saudi-Arabien, für die sich die Bundesregierung nach Jahren eines Embargos inzwischen offen zeigt. Die Ampelkoalition habe erkannt, dass das Geschäft „industriepolitisch notwendig“ sei, so Schöllhorn. „Außerdem hat die Ampelkoalition verstanden, dass Saudi-Arabien Teil der Lösung für die Bewältigung der Probleme im Mittleren Osten ist“, sagte er.
Schöllhorn warf der Bundesregierung vor, dass sie noch immer nicht die nötigen Lehren aus der „Zeitenwende“ gezogen habe. Wer es damit ernst meine, müsse „die Verteidigung zur Top-Priorität erklären und die Rüstungsausgaben wie auch die Produktion im eigenen Land oder in Europa nachhaltig erhöhen“, fordert der Firmenchef.
Foto: Olaf Scholz am 17.04.2024 [dts]