Zweifel an Verfassungsmäßigkeit von Demokratiefördergesetz

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zweifeln in einem Gutachten an der Verfassungsmäßigkeit des von der Ampel-Koalition geplanten Demokratiefördergesetzes. In dem Sachstandsbericht, über den die „Welt“ berichtet, wird insbesondere die Gesetzgebungskompetenz des Bundes infrage gestellt.

Die Parlamentsjuristen nennen mehrere mögliche Grundlagen für die Gesetzgebungszuständigkeit: Die könne sich zum Beispiel aus der „Natur der Sache“ ergeben – darauf beruft sich der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf ausdrücklich. Unter Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts arbeitet der Wissenschaftliche Dienst heraus, dass dafür andere Möglichkeiten einer sachgerechten Lösung außerhalb eines Bundesgesetzes, insbesondere eine landesgesetzliche Regelung, unmöglich sein müssten, was beim Demokratiefördergesetz nicht der Fall sei.

„Die vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig postulierten Kriterien für eine Kompetenz kraft Natur der Sache dürften vorliegend daher nicht gegeben sein“, heißt es im Gutachten. Zwar gebe es Einzelfallentscheidungen Karlsruhes, in denen die eigenen Kriterien „in dieser strengen Form“ nicht angewendet würden, allerdings sei die Frage einer möglichen „Selbstkoordination“ der Länder in diesen Entscheidungen nicht thematisiert worden. Aus der Begründung der Bundesregierung zum Demokratiefördergesetz ergebe sich jedenfalls nicht, „aus welchen Gründen koordinierte Maßnahmen der Länder nicht möglich sein sollten“.

Zweitens bemüht die Ampel für bestimmte Regelungen ihres Gesetzes die ungeschriebene Zuständigkeit „kraft Natur der Sache im Bereich der Staatsleitung“: Der Wissenschaftliche Dienst weist jedoch darauf hin, dass diese Konstruktion für Fälle des exekutiven Informationshandelns an die Bevölkerung oder das Parlament entwickelt wurde. „Auf die Kompetenzen des Gesetzgebers hat die Rechtsprechung diese Rechtsfigur bislang jedoch nie angewandt“, heißt es im Gutachten. Das Vorgehen der Regierung sei deshalb „wenig plausibel“ und „nicht zwingend“.

Drittens lehnen die Gutachter schließlich eine mögliche Gesetzgebungskompetenz aus Gründen „öffentlicher Fürsorge“ ab, die sich aus Artikel 74 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz ableiten ließe. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Jugendhilfe-Urteil die politische Bildung Jugendlicher der öffentlichen Fürsorge zugerechnet. Im Demokratiefördergesetz allerdings geht es um die Bildung Erwachsener. Die Erstreckung der Fürsorgekompetenz auf diesen Bereich habe die Rechtsprechung „bisher jedoch nicht vorgenommen“.

Für Wolfgang Kubicki ist eine Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament damit ausgeschlossen. „Mit diesem Gutachten wird klar, dass diese Gesetzesvorlage auf einer unzulässigen Kompetenzanmaßung des Bundes beruht“, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Vizepräsident des Bundestags der „Welt“. „Damit zerschellt das Demokratiefördergesetz nach den Vorstellungen von SPD und Grünen an der föderalen Wirklichkeit.“

Kubicki kritisiert insbesondere die federführenden Ministerinnen für Familie und Inneres, Lisa Paus (Grüne) und Nancy Faeser (SPD). „In ihrem vermeintlich heldenhaften Kampf gegen rechts haben Lisa Paus und Nancy Faeser das Recht offensichtlich beiseiteschieben wollen“, sagte Kubicki.

Das in voller Länge „Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“ war bereits im Dezember 2022 vom Kabinett verabschiedet und im März 2023 erstmals im Bundestag beraten worden. Weitere Lesungen scheiterten danach am Widerstand der FDP. Das Gesetz soll „Projekte zur Demokratieförderung“ langfristig finanziell fördern. Kritiker aus FDP und Union befürchten, dass die Förderzusagen von der politischen Agenda der jeweiligen Regierungsparteien abhängen könnten.

Foto: Bundestag (Archiv) [dts]

 

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