Als Reaktion auf den Armutsbericht, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am Dienstag in Berlin vorstellte, fordern die Grünen im Bundestag eine Erhöhung des Mindestlohns. „Das beste Instrument gegen Armut sind gute Löhne“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Andreas Audretsch, dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgaben). „Darum wollen wir Armutslöhne mit einem fairen Mindestlohn bekämpfen.“
Demnach wollen die Grünen im Bundestag die Untergrenze bei 60 Prozent des mittleren Lohns festlegen. Damit würde der Mindestlohn in diesem Jahr auf 14 Euro und 2025 auf 15 Euro steigen.
Der Koalitionspartner FDP widerspricht. Fraktionsvize Christoph Meyer bezeichnete die Forderungen von Grünen und dem Sozialverband als „Wohlstandsrisiko“. „Staatliche Einmischung und höhere Sozialtransfers sorgen für weniger Wettbewerbsfähigkeit und eine stagnierende Wirtschaft“, sagte er der Zeitung. „Daher brauchen wir Steuersenkungen und Bürokratieabbau, um die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig aufzustellen und damit neue, gut bezahlte Jobs zu schaffen.“
Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands verharrt die Armut in Deutschland auf einem hohen Niveau. 16,8 Prozent der Bevölkerung lebten derzeit in Armut, wobei sich im Vergleich der Bundesländer große regionale Unterschiede zeigten, heißt es im neuen „Paritätischen Armutsbericht“, der am Dienstag vorgestellt wurde. Demnach sind 14,2 Millionen Menschen von Armut betroffen. 2022 waren es damit fast eine Million Menschen mehr als vor Pandemie-, Energie- und Preiskrise im Jahr 2019 und 2,7 Millionen mehr als 2006.
Insbesondere Alleinerziehende, Familien mit drei oder mehr Kindern und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind dem Bericht zufolge von Armut betroffen. Auf einen neuen Rekordwert ist nach der Studie zudem die Kinderarmut gestiegen: Mehr als jedes fünfte Kind ist nach Rechnung des Paritätischen mittlerweile von Armut betroffen (21,8 Prozent). Unter Alleinerziehenden lag die Armutsquote bei 43,2 Prozent.
Bis November muss die Bundesregierung eine EU-Richtlinie zum Mindestlohn umsetzen. Die Mitgliedstaaten sollen demnach Indikatoren und entsprechende Referenzwerte verwenden, um die Angemessenheit des gesetzlichen Mindestlohns zu beurteilen. Die Richtlinie nennt dabei die Möglichkeit, den Bruttomindestlohn auf 60 Prozent des mittleren Bruttolohns festzusetzen.
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