Für die am Dienstag vorgestellten Rentenpläne erntet die Bundesregierung viel Kritik, aber auch etwas Lob.
Kritisch äußerte sich unter anderem Ifo-Chef Clemens Fuest, der der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe) sagte: „Wenn die Politik Leistungen zusagt, sollte zugleich geklärt werden, wie diese Leistungen finanziert werden.“ Wenn die Politik einen erheblichen Anstieg der Beitragssätze oder der Steuerzuschüsse zur Rentenversicherung vermeiden wolle, „sollte sie die Lebensarbeitszeit verlängern, orientiert am Anstieg der Lebenserwartung“.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sieht im Rentenpaket II der Bundesregierung unterdessen ein neues Standortrisiko: „Der Kompromiss löst keines der Probleme, aber er schafft ein weiteres: Durch die Festsetzung des Rentenniveaus auf 48 Prozent wird die Last für die Beitrags- und die Steuerzahler immer höher“, sagte Grimm der „Rheinischen Post“.
„Die Entscheidung ist immens teuer und geht zulasten der Beitragszahler oder der Steuerzahler.“ Letztlich gefährde man den Standort Deutschland durch eine solche Politik, die das Finanzierungsproblem der gesetzlichen Rentenversicherung „nicht wirksam adressiert“, sagte Grimm. „Die Spielräume im Haushalt werden durch die ständig steigenden Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung immer geringer, die Arbeitskosten in Deutschland durch die steigenden Beiträge zur Rentenversicherung immer höher“, so die Ökonomie-Professorin.
Der Sachverständigenrat schlage stattdessen die Koppelung des Renteneinstiegsalters an die fernere Lebenserwartung ab 2031, die Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors, die Koppelung der Rente an die Preisentwicklung statt an die Löhne sowie die Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit eignen Depots vor. „Außerdem sollte man die Rente ab 63 einschränken und die Witwenrente reformieren“, forderte Grimm.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor, die Kosten des demografischen Wandels „komplett auf die Beitragszahler abzuwälzen“. Den Rentnern werde das heutige Leistungsniveau garantiert, die Beiträge dagegen sollen dafür künftig „unbegrenzt steigen“ können, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online.
„Das ist das Gegenteil einer generationengerechten Politik“, so Dulger weiter. „Insofern ist dieses Rentenpaket ein weiterer Baustein einer zukunftsvergessenen Sozialpolitik. Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sind.“
Was Deutschland stattdessen brauche, sei ein „neuer Agenda-2010-Moment“, damit das Land aus der Rezession herauskomme und langfristig den Wohlstand sichern könne. „Unser Sozialstaat muss dazu vom Kopf auf die Füße gestellt werden“, sagte Dulger. „Dazu gehören auch ehrliche Reformen in der Rentenpolitik: Langfristig das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus anheben und die abschlagsfreie Frührente für besonders langjährig Versicherte endlich abschaffen.“
Linken-Chef Martin Schirdewan nannte die Rentenpläne derweil „unanständig“. Dabei geht es ihm vor allem um die sogenannte Aktienrente: „Wenn Börsenspekulation ein solides Finanzierungsmodell wäre, könnte die Bundesregierung ja auch die Bundeswehr aus Aktienfonds finanzieren“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er finde den Plan sogar unanständig. „Mit Steuergeld spekuliert man nicht.“
Stattdessen plädiert Schirdewan für eine Rente, „die von allen gemeinsam getragen wird“. Es müsse Schluss damit sein, dass sich einzelne Berufsgruppen ganz und Menschen mit Spitzeneinkommen teilweise aus der Affäre ziehen. „Wenn die Rente solidarisch finanziert wird, können wir eine sichere Rente deutlich über dem aktuellen Niveau bieten“, so der Linken-Vorsitzende.
Er sprach sich dafür aus, die Spekulation mit staatlichen Geldern für die Rente zu verbieten. „Das Verschieben von Rentengroschen an private Finanzhäuser muss verboten werden. Die Rente vom Zugriff privater Finanzkonzerne fernzuhalten bedeutet natürlich auch, die Riester-Rente in die gesetzliche Rente zurückzuholen“, so der Linken-Politiker.
Die Gewerkschaft Verdi sieht das Rentenpaket II ebenfalls als schlechten Kompromiss: Erfreulich sei, dass das Rentenniveau vorerst bis 2039 gesichert werde, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag. „Das kann aber nur ein erster Schritt sein – mittelfristig muss das Niveau weiter angehoben werden, um Altersarmut in größerem Umfang dauerhaft zu verhindern.“
Den geplanten Aufbau eines sogenannten „Generationenkapitals“ kritisierte der Gewerkschafter unterdessen scharf: Das sei auf lange Sicht „der Einstieg in den Ausstieg“ aus der umlagefinanzierten Altersrente – „eine absolute Fehlentwicklung“, so Werneke. „Stoppt die Zockerei mit unserer Rente“, fügte er hinzu.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, begrüßte die Stabilisierung des Rentenniveaus. Skeptisch sei und bleibe man aber beim sogenannten Generationenkapital, sagte Bentele dem Nachrichtenportal T-Online. „Damit zukünftig alle Menschen mit einem Rentenniveau von 53 Prozent abgesichert sind, braucht es mehr.“ Der VdK fordere eine Erwerbstätigenversicherung, eine höhere Beitragsbemessungsgrenze und eine überproportionale Beteiligung der Arbeitgeber an den Rentenbeiträgen.
„Aber am Wichtigsten ist und bleibt für die Rente gute und gut bezahlte Arbeit“, so Bentele. Es brauche mehr Kitaplätze, damit Eltern in Vollzeit arbeiten könnten. „Auch ein Mindestlohn von mindestens 14 Euro könnte eine armutsfeste Rente ermöglichen.“
Foto: Alte und junge Frau sitzen am Strand [dts]