Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnt davor, für die Verteidigungsanstrengungen gegen Expansionsgelüste des russischen Präsidenten Wladimir Putin die Sozialausgaben zu verringern. „Die Rechnung, wir brauen den Sozialstaat ab, denn wir brauchen mehr Geld fürs Militär, fände ich fatal“, sagte Habeck der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).
„Wir sind nicht nur in einer Phase der äußeren Bedrohung, auch die Demokratie ist unter Druck, viele Menschen wenden sich ab, der Kitt der Gesellschaft wird porös. Deswegen sind soziale Ausgaben nötig, um das Land zusammenzuhalten.“ Über einzelne Punkte könne man reden, etwa über Anreize für längeres Arbeiten im Alter.
Damit reagierte Habeck auch auf Forderungen von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der zuletzt stets gefordert hatte, zusätzliche Militärausgaben aus dem laufenden Etat zu bestreiten und dafür ein Moratorium für neue Sozialausgaben zu verhängen.
Habeck ruft das Regierungsbündnis zudem dazu auf, sich im Streit um den Umgang mit der Ukraine zu mäßigen. „Wir sollten uns nicht gegenseitig verdächtigen, den Frieden zu gefährden. Derjenige, der den Frieden gefährdet, ist Putin. Die Toten dieses Krieges sind Putins Tote“, sagte er. „Aus der Lage sollte keiner Kapital schlagen, und wir sollten uns auch nicht unterstellen, Kapital schlagen zu wollen. Wenn wir uns jetzt darüber zerstreiten, wie wir helfen, und ob wir etwa den Marschflugkörper Taurus liefern, kann Putin sich zurücklehnen. Das wäre das Dümmste, was wir machen können.“
Zuletzt war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von Grünen- und FDP-Politikern für seine Weigerung kritisiert worden, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Nachdem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Bundestag ein „Einfrieren“ des Konflikts angeregt hatte, sahen sich die Sozialdemokraten dem Vorwurf ausgesetzt, das Thema für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen.
Der Wirtschaftsminister kritisiert zugleich Versäumnisse beim Steigern der Munitionsproduktion. „Es braucht Investitionen in die Steigerung von Produktionskapazität. Um die Investitionen auszulösen, braucht die Industrie langfristige Aufträge“, sagte er. „Um die ganz hohen Stückzahlen zu produzieren, hätte man von Anfang an Abnahmegarantien für zehn Jahre geben müssen, die in der öffentlichen Finanzplanung dann auch hinterlegt sind.“ Das sei nicht geschehen, und das sei ein Grund, warum er so sehr darauf dränge.
Habeck hatte schon vor Längerem darauf gedrängt, die Finanzierung der Bundeswehr nach dem Auslaufen des „Sondervermögens“ zu klären und dafür notfalls auch weitere Schulden aufzunehmen.
Foto: Bundeswehr-Soldat (Archiv) [dts]