In der 35-Stunden-Woche für Lokführer sehen Arbeitsmarktpolitiker der Linken und der Grünen ein Vorbild für weitere Branchen. „Die 35-Stunden-Woche fordern Gewerkschaften und wir als Linke seit vielen Jahren“, sagte der Linken-Abgeordnete und frühere Gewerkschaftsfunktionär Bernd Riexinger dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe). Die Lokführergewerkschaft GDL habe vorgemacht, wie mit einem Arbeitskampf die 35-Stunden-Woche durchgesetzt werden könne. „Ich bin überzeugt davon, dass weitere Berufsgruppen wie die Beschäftigten im ÖPNV, Erzieherinnen und Pfleger folgen werden“, sagte Riexinger.
Frank Bsirske, Arbeitsmarktpolitiker der Grünen, erwartet, dass der GDL-Abschluss Schule machen wird. „Insbesondere für stark belastete Berufe ist Arbeitszeitverkürzung eine Option. Sie hilft, die Tätigkeit länger gesund ausüben zu können und macht es einfacher, Berufsnachwuchs zu gewinnen“, sagte der frühere Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi der Zeitung.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte die Forderungen nach geringeren Arbeitszeiten hingegen vor Kurzem kritisiert. Er verwies auf 700.000 offene Stellen und Deutschlands stagnierende Wirtschaft. „Auch Wirtschaftsminister können irren“, kritisierte Bsirske seinen Parteifreund. „Wer weiß, wie wichtig gute Arbeit ist“, könne die von der GDL erreichte 35-Stunden-Woche nur begrüßen, sagte Bsirske.
Unterstützung für Habeck kommt hingegen von der FDP. „Wir sind in einer wirtschaftlichen Lage, die Handlungsbedarf erfordert“, sagte der wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, der Zeitung. „Mit weniger Arbeit ist noch keine Krise bewältigt worden.“ Den Abschluss von GDL und Deutscher Bahn kritisierte Houben allerdings nicht. Er verwies auf die Tarifautonomie.
Der Tarifabschluss zwischen Deutscher Bahn und GDL sieht vor, dass Beschäftigte im Schichtdienst ab 2029 regulär nur noch 35 Stunden pro Wochen arbeiten müssen. Wer länger arbeiten will, bekommt pro Wochenstunden zusätzlich 2,7 Prozent mehr Gehalt.
Foto: Bernd Riexinger (Archiv) [dts]