Das Amt als Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat den Blick von Andrea Nahles auf die Politik und ihr eigenes Handeln als Politikerin verändert. „Mir sind einige Dinge, die ich vorher eher aus dem Augenwinkel gesehen habe, klarer geworden“, sagte Nahles dem „Spiegel“. Etwa die Versuche der Politik, durch Einzelfallgerechtigkeit wie bei der Grundsicherung allen gerecht werden zu wollen.
„In der Politik gelten Ermessensspielräume als positiv“, sagte die BA-Chefin, „auf der Verwaltungsseite heißt es: um Gottes willen“. Denn in der Praxis sei es nicht immer so einfach, „Ermessen“ auszuüben. Die Bescheide für die Grundsicherung etwa seien daher immer komplizierter geworden. Gerade werden sie in verständliche Sprache rückübersetzt. „Wir wollen Komplexität reduzieren, wieder verständlicher werden für die Menschen. Heute würde ich auch eine andere Gesetzgebung favorisieren“, sagte Nahles.
„Mit dem Wissen, das ich heute habe, würde ich manche frühere Entscheidung heute anders treffen.“ Vor allem würde sie dem Bürokratieabbau mehr Bedeutung zumessen. „Als ich Ministerin war, war dafür Helge Braun im Kanzleramt zuständig, und wir haben pflichtgemäß unsere Vorschläge gemeldet“, sagte Nahles, „heute würde ich mich selbst intensiver darum kümmern.“
Ihr Abschied aus der Parteipolitik 2019 sei keine einfache Entscheidung gewesen, aber es sei ihr Weg. „Ich habe mich für meine Zukunft entschieden, ich will keine Gefangene meiner Vergangenheit sein“, so Nahles.
Zur Diskussion um das Bürgergeld sagte die BA-Chefin: „Beim Bürgergeld ist eine Art Populismusspirale in Gang gekommen.“ Es gebe einen Überbietungswettbewerb mit immer härteren Vorschlägen. „Und die Bundesagentur steckt irgendwo in der Mitte dieser Spirale“, so die Behördenchefin. „Wir versuchen deshalb, immer belegbare Zahlen, Fakten und Daten zu liefern und darüber wieder ein Stück Realismus in die Debatte zu bringen.“
Foto: Andrea Nahles (Archiv) [dts]