Verteidigungsministerium warnt vor Taurus-Überschätzung

Der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Bundesverteidigungsministerium, Generalmajor Christian Freuding, warnt davor, die militärische Bedeutung der Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine zu überschätzen. „Die Ukrainer setzen bereits Langstreckenwaffen von anderen Staaten ein“, sagte Freuding dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Doch kein einzelnes Waffensystem ist eine Wunderwaffe oder ein Game-Changer. Es kommt vielmehr darauf an, dass die militärische Führung das, was sie zur Verfügung hat, in einem klugen Mix und in Abwägung der Möglichkeiten des Gegners gezielt einsetzt. Daraus entsteht militärischer Erfolg und nicht durch eine symbolhaft aufgeladene vermeintliche Wunderwaffe.“

Politiker der Union, der Grünen und der FDP fordern die Taurus-Lieferung, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt sie ab. Freuding sagte hingegen, die Lieferung von Munition an das von Russland angegriffene Land bleibe dringlich.

„Ich will das nicht schönreden“, sagte er dem RND. „Natürlich ist die Versorgung mit Munition ein kritischer Punkt. Allerdings spielen hier nicht allein Zahlen eine Rolle. So sind mittlerweile die meisten der von der Ukraine genutzten Systeme wesentlich präziser in der Wirkung als die russischen Systeme.“ Damit brauche man auch weniger Munition. „Und allein aus Deutschland werden wir in diesem Jahr unsere Lieferungen an Artilleriemunition wohl mehr als verdoppeln können. Dennoch bleibt die Versorgung mit Munition das zentrale Thema bei der Unterstützung durch den Westen.“

Freuding geht unterdessen davon aus, dass die Ukraine weitere Soldaten rekrutieren muss, um bei der Abwehr des russischen Angriffs erfolgreich zu sein. „Die Ukraine wird mit Sicherheit mehr Soldaten mobilisieren müssen – allein schon wegen der Verlustzahlen, soweit wir sie einsehen können“, sagte er dem RND. „Aber auch aufgrund der Tatsache, dass Truppenteile, die teilweise seit 24 Monaten an der Front sind, regeneriert werden müssen.“

Über Art und Umfang der Mobilisierung werde gerade in der Ukraine diskutiert. Das sei ein politisch-gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, bei dem auch die demografische Lage der Ukraine eine Rolle spiele. Sie müsse auf die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ihres Staates genauso achten wie auf ihre militärische Funktionsfähigkeit.

Kritisch blickt Freuding auf das Zerwürfnis zwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und seinem Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj, die auch um die Mobilisierung ringen. „Wir können nicht hinter die Kulissen blicken“, sagte er dem RND. „Aber natürlich beobachten wir diese Diskussionen zwischen der militärischen und der politischen Führung.“

Natürlich wünsche man der Ukraine, dass sie die Einigkeit wahre, die sie in den letzten Monaten und Jahren starkgemacht habe bei der Verteidigung ihres Landes. „So eine Diskussion ist zwar auch Kennzeichen eines demokratischen Staates. Aber auf Dauer ist sie den Verteidigungsanstrengungen nicht zuträglich.“

Foto: Verteidigungsministerium (Archiv) [dts]

 

Previous Post

Habeck sieht keine Chance für Einsparungen und Steuererhöhungen

Next Post

Queer-Beauftragter begrüßt Pläne für „Verantwortungsgemeinschaft“

Related Posts