SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert drängt auf die Einführung des europäischen Lieferkettengesetzes. „Ich erwarte eine Zustimmung Deutschlands zum europäischen Lieferkettengesetz und ein Ende der Blockade durch die FDP“, sagte Kühnert dem „Stern“.
Nur dann herrschten künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass marktwirtschaftlich orientierte Liberale die Verantwortung dafür tragen wollen, dass die Bekämpfung von Ausbeutung zum Nachteil im internationalen Wettbewerb wird“, sagte Kühnert.
„Stimmt Deutschland in der kommenden Woche nicht zu, dann wäre das eine Entscheidung zu mittel- und langfristigem Nachteil des Standortes Deutschland“, sagte er. Unternehmen würden womöglich andere europäische Produktionsstandorte stärken oder im schlimmsten Fall deutsche Standorte aufgeben. „Das ist weder im Interesse unserer Volkswirtschaft noch im Interesse eines Bürokratieabbaus mit Augenmaß.“
Juso-Chef Philipp Türmer warf den Liberalen „neoliberale Engstirnigkeit“ vor. „Die Blockade beim europäischen Lieferkettengesetz zeigt wieder, welch Geistes Kind die FDP ist“, sagte Türmer dem „Stern“.
Eine Partei, die so ignorant gegenüber den EU-Partnern auftrete, müsse sich nicht wundern, „wenn sie bei der nächsten Europawahl ein blaues Auge kassiert“. Er forderte „die beiden gelben Blockade-Minister“ dazu auf, die Zustimmung Deutschlands nicht weiter zu verweigern.
Eigentlich sind die Verhandlungen zum Lieferkettengesetz abgeschlossen: Zunächst einigten sich die EU-Mitgliedsländer im EU-Rat auf eine gemeinsame Position. Im sogenannten Trilogverfahren verhandelte dann der Rat mit dem Europäischen Parlament, das sich zuvor ebenfalls auf eine eigene Verhandlungsposition verständigt hat. Eine Zustimmung zum Ergebnis der Trilogverhandlungen gilt als Formsache.
Die von der FDP geführten Ministerien für Justiz und Finanzen haben sich kurz vor den abschließenden Beratungen in Brüssel gegen das geplante neue EU-Lieferkettengesetz gestellt. Damit müsste sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten, was wie eine „Nein“-Stimme gewertet würde.
2021 hatte die FDP-Fraktion bei der Verabschiedung des deutschen Lieferkettengesetzes durch die Große Koalition in einem Entschließungsantrag noch geschrieben, die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Rahmenwerkes sei „begrüßenswert, wenn dieses angemessene und unbürokratische Regelungen findet, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligen“. Ein deutscher Alleingang „verschärft den bestehenden Flickenteppich, führt zu Doppelstrukturen und vermeidbarer Bürokratie“.
Auch im Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien auf die Unterstützung des EU-Lieferkettengesetzes geeinigt. „Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert“, hieß es darin.
Foto: Kevin Kühnert (Archiv) [dts]