Nach dem Antisemitismus-Skandal auf der Abschluss-Gala der Berlinale muss nach Meinung der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, auch über die Kunstfreiheit hierzulande diskutiert werden. Als beim Documenta-Skandal die ersten Fragen zum Verhältnis von Kunst, Politik, Meinungsfreiheit und Hassrede gestellt wurden, sei „das Kind längst in den Brunnen gefallen, und heute sind wir keinen Schritt weiter“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe).
Die Gesellschaft müsse „endlich ehrlich“ über ihre Werte sprechen und Entscheidungen treffen, auch wenn das wehtue. „Jüdisches Leben in diesem Land feiern und Judenhass auf offener Bühne dulden, geht nicht gleichzeitig. Punkt“, sagte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Die Berlinale habe auch gezeigt, dass die Hemmschwelle eines offenen Antisemitismus seit Jahren sinke und Israel als Ziel besonders viel antisemitische Hassrede auf sich ziehe. „Das sieht man jetzt wieder besonders deutlich, und da braucht sich auch niemand mit angeblich legitimer Kritik herauszureden. Israel einen `Genozid` vorzuwerfen, ist bösartig und inhaltlich absurd. Mit solchen politisch aufgeladenen Buzzwords wird nur Hass geschürt“, so die 91-Jährige.
Vom Verhalten der Kulturstaatsministerin Claudia Roth zeigte sich Knobloch insgesamt „sehr enttäuscht“. Sie hätte „aus meiner Sicht direkt einschreiten müssen. Was auf der Bühne verbreitet wurde, durfte nicht einfach stehen bleiben, und das war ihr auch klar. Im Nachhinein ist jetzt nicht mehr viel zu retten“, so Knobloch.
Sie verstehe auch nicht, welchen Sinn die angekündigte Untersuchung haben soll, wo doch der Skandal auf offener Bühne stattfand. Da gebe es nichts mehr zu „untersuchen“. „Ich hoffe sehr, dass sie in dieser Lage in sich geht und die richtigen Schlüsse zieht. Und der Vollständigkeit halber: Dieselbe Kritik richtet sich auch gegen die Verantwortlichen beim Berliner Senat“, sagte Knobloch.
Foto: Charlotte Knobloch (Archiv) [dts]