Angesichts der bundesweiten Bauernproteste gegen die Subventionskürzungen beim Agrardiesel erhöht die SPD den Druck für eine rasche Reform der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form ist nicht mehr zeitgemäß“, heißt es in einer internen Vorlage für die Klausurtagung der Bundestagsfraktion, über die die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
„Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen.“ Daher solle im Bundestag zügig ein „haushaltspolitischer Zukunftsdeal“ erarbeitet werden, und zwar unter Berücksichtigung des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, welches der Ampelkoalition die Umwidmung von 60 Milliarden Euro an nicht genutzten Corona-Hilfsgeldern in einen Klima- und Transformationsfonds untersagt hatte. Die dadurch allein für den Bundeshaushalt 2024 entstandenen Löcher in zweistelliger Milliardenhöhe sollen teils durch Kürzungen etwa im Agrarbereich gegenfinanziert werden.
Auch drei SPD-Ministerpräsidenten haben sich hier klar gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD) positioniert, der trotz der Proteste im gesamten Bundesgebiet an der stufenweisen Abschaffung der Begünstigung beim Agrardiesel festhalten will. Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern), Dietmar Woidke (Brandenburg) und Stephan Weil (Niedersachsen) fordern die komplette Rücknahme der Kürzungspläne, auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger mahnt Korrekturen an – doch Scholz will die Kürzungen rasch vom Bundestag beschließen lassen. Das rückt erneut die Debatte um die Schuldenregeln in den Fokus.
Mithilfe externer Expertise aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Wirtschaft soll nach dem Willen der von Rolf Mützenich angeführten Bundestagsfraktion nun zügig ein Reformvorschlag für die Schuldenbremse erarbeitet werden. Damit soll auch ein Beschluss des SPD-Bundesparteitags im Dezember konkretisiert werden: Dieser hatte höhere Verschuldungsspielräume gefordert, um nicht jedes Jahr aus Neue in solche Debatten wie derzeit hineinzulaufen und um mithilfe einer Reform Unternehmen etwa in der Stahl- und Chemieindustrie Planungssicherheit für den milliardenschweren Umbau hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften zu ermöglichen.
„Generationengerechtigkeit darauf zu reduzieren, nachfolgenden Generationen keine Schulden zu hinterlassen, greift deutlich zu kurz“, heißt es in dem Konzept für die Klausurtagung der Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten, die am Donnerstag und Freitag in Berlin stattfindet. Gemäß dem Verfassungsgerichtsurteil unterlägen Notlagenkredite zudem nun einer strikten Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit. „Das heißt konkret: Eine Übertragung von Notkrediten auf folgende Haushaltsjahre ist nicht rechtskonform. Kredite für außergewöhnliche Notlagen müssen nunmehr im selben Jahr des Beschlusses und der Kreditaufnahme in Anspruch genommen werden.“
Überjährige Maßnahmen zur Krisenbewältigung müssten damit entweder jährlich wieder Gegenstand eines neuen „Notlagenbeschlusses“ werden oder in Folgejahren durch Einsparungen an anderer Stelle im Haushalt gegenfinanziert werden. Dies könne in der Praxis jedoch zu einem erheblichen „Krisennachspareffekt“ führen. Aber gerade Investitionen zum Wohle auch zukünftiger Generationen müssten weiter auch sinnvoll über Kredite finanziert werden können. „Für eine Volkswirtschaft kann der Verzicht auf kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen langfristig verheerend sein“, heißt es in dem Papier.
Allerdings wäre für eine Reform der Schuldenbremse eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig, und schon innerhalb der Koalition blockt die FDP eine Aufweichung der Schuldenbremse bisher strikt ab.
Foto: Schuldenuhr (Archiv) [dts]