Jesiden zeigen sich „maßlos enttäuscht“ von Bundesregierung

Zum ersten Jahrestag der Anerkennung des Völkermords an Jesiden durch den Bundestag hat der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Irfan Ortac, „maßlose Enttäuschung“ über die Bundesregierung geäußert. Ortac, der auch SPD-Politiker ist, warf in der Freitagsausgabe der „Rheinischen Post“ der Regierung vor, getätigte Versprechen nicht zu erfüllen.

Niemand spreche noch von einer „internationalen politischen Konferenz zur Sicherheit und zum Wiederaufbau“, die die Ampel-Regierung laut dem vor einem Jahr beschlossenen Bundestagsantrag zur Anerkennung des Genozids prüfen sollte. Ortac sagte, Deutschland habe damals „auch moralisch gepunktet“. Selbst wenn sich daraus keine juristische Verpflichtung ergebe, „ich sehe eine moralische Verpflichtung“.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Weltanschauungsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), räumte gegenüber der „Rheinischen Post“ weiteren Handlungsbedarf ein: „Eine reelle Rückkehrperspektive ergibt sich jedoch erst, wenn Sicherheit, Infrastruktur, Verwaltung und Beschäftigungsmöglichkeiten gewährleistet werden können.“ Immer noch lebten zu viele jesidische Familien in Flüchtlingslagern. Es sei „dramatisch“, wenn knapp zehn Jahre nach dem Genozid des IS die Gemeinschaft wenig Zukunft in ihrer Heimat sehe.

Der Grünen-Abgeordnete Max Lucks übte unterdessen wegen Abschiebungen in den Irak scharfe Kritik an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sagte, es sei ein „absoluter Missstand, ein moralischer Bankrott“ für Deutschland, dass Jesiden in den Irak abgeschoben würden. „Wir schieben die Opfer von Islamismus dahin ab, wo sie nicht sicher sind. Gleichzeitig können islamistische Gruppierungen in Deutschland auf der Straße aufmarschieren.“

Dem Innenministerium warf er den Versuch vor, „zulasten derjenigen, die verfolgt sind und wirklich Schutz brauchen, die Abschiebezahlen nach oben zu bekommen“. Lucks sagte, seine Partei und seine Fraktion täten alles, um die Abschiebungen zu stoppen. Vonseiten des Innenministeriums sehe er aber „kein bisschen Engagement“. Lucks fordert einen Paragrafen im Aufenthaltsgesetz zum Schutz der Jesiden, der ihr Bleiberecht sicherstellen würde. „Dafür tritt meine Partei ein“, sagte der Grünen-Abgeordnete.

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) betrug die Schutzquote für Jesiden im vergangenen Jahr knapp 45 Prozent. Es wurde 2023 über mehr als 4.500 Asylanträge entschieden.

Foto: Jesiden-Protest (Archiv) [dts]

 

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