Militärhistoriker fordert mehr Ehrlichkeit gegenüber Soldaten

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel wirft dem Verteidigungsministerium und dem Bundestag einen unaufrichtigen Umgang mit Soldaten vor. „Wir erwarten von unseren Soldaten, dass sie kriegstüchtig werden, aber auf der Webseite des Verteidigungsministeriums hat man sich bislang nicht getraut, die Namen der Träger des Ehrenkreuzes für Tapferkeit zu nennen“, sagte er dem „Spiegel“.

„Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestags hätte in seinen Räumen eine Plakette mit den Namen aufhängen können – will er nicht“, so Neitzel weiter. Der an der Universität Potsdam lehrende Historiker kritisiert: „Politiker schicken Soldaten in lebensgefährliche Einsätze, führen Tapferkeitsauszeichnungen ein, trauen sich dann aber nicht, die Geehrten zu nennen.“ Er wolle Soldaten nicht glorifizieren. „Ich bin für Ehrlichkeit“, so Neitzel.

„Wir können die Bundeswehr auch abschaffen. Wenn wir aber weiterhin irrsinnig viel Geld für sie ausgeben, müssen wir ihren Auftrag anerkennen. Der Wesenskern des Soldatenberufs – der Kampf – muss raus aus der Tabuzone.“ Auch die Spitzen der Bundeswehr hätten ein „verdruckstes Verhältnis“ zum Soldatenberuf.

„Seit zwei Jahren gibt es ein Liederbuch der Bundeswehr als App – gut gemacht, historisch überprüft – dennoch ist es nicht veröffentlicht worden“, sagte Neitzel. Offenbar aus Angst, „wieder eine Diskussion um Traditionen loszutreten“. Zugleich weigere sich die Bundeswehrführung, neue Lieder zu verfassen, etwa über den Einsatz in Afghanistan. Dabei seien solche Lieder nötig, um eine „soldatische Identität“ zu stiften.

„Das Heer will jetzt Soldaten für Litauen gewinnen, da muss doch als Erstes ein Wappen her, da muss es Rituale geben, ein Lied über diese besondere Aufgabe“, fordert er. „Es ist bizarr: Die Bundeswehr schickt ihre Soldaten in womöglich tödliche Einsätze, traut sich aber nicht an ein Liederbuch.“

Foto: Bundeswehr-Soldaten (Archiv) [dts]

 

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