Seit 2020 sind jährlich rund 30 Prozent der eingelegten Widersprüche gegen die Einstufung des Pflegegrads in Erstgutachten, die vom Medizinischen Dienst (MD) durchgeführt werden, erfolgreich. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen des Bundestagsabgeordneten Ates Gürpinar (Linke), hervor, über die die „Mediengruppe Bayern“ (Samstagausgaben) berichtet.
Die Antwort basiert auf bundesweit erhobenen Daten des MD, die bis 2011 zurückreichen. So hatten 2020, 2021 und 2022 je 29,6 Prozent der Widersprüche gegen die Erstgutachten Erfolg. Im 1. bis 3. Quartal 2023 waren es bisher 28,3 Prozent. In früheren Jahren lagen die Quoten teils deutlich darunter.
2016 waren es nur 17,5 Prozent. Die Gutachter haben es dabei generell mit stark steigenden Zahlen an Erstgutachten und Widersprüchen zu tun. Während 2011 noch 700.000 Erstgutachten vom MD durchgeführt wurden, waren es 2022 rund 1,15 Millionen. Proportional dazu stieg laut der Daten auch die Anzahl der Widerspruchsgutachten an.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass ausgerechnet diejenigen, die unsere Gesellschaft schützen sollte, kämpfen müssen, um ihre Ansprüche durchzusetzen“, sagte Ates Gürpinar den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“. Die Pflegesätze und das Pflegegeld seien ohnehin zu gering bemessen. „Wenn Pflegebedürftige dann auch noch falsch eingestuft werden, führen die finanziellen Einbußen unweigerlich zu schlechter Pflege – vor allem bei Personen, die es nicht privat ausgleichen können.“ Regional liegen die Erfolgsquoten noch höher.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) führt einige der Widerspruchsverfahren für Pflegebedürftige durch und berichtet von einer 60-prozentigen Erfolgsquote in Niedersachsen. Laut einer Sprecherin sei auch in anderen Bundesländern von ähnlich hohen Erfolgsquoten auszugehen. Ein großes Problem sei, dass die Gutachter höchstens eine Stunde Zeit hätten, um die Begutachtung durchzuführen, so der SoVD. Zudem dürften zwischen Antragstellung und Erteilung des Bescheids nur 25 Tage vergehen, da die Pflegekasse sonst eine Strafe zahlen müsse. „Aufgrund des Zeitdrucks können sehr schnell Fehler entstehen“, sagte die Sprecherin.
Foto: Seniorin mit Helferin (Archiv) [dts]