In der Solarindustrie tobt ein Streit darüber, wie der Staat die Branche in Deutschland fördern sollte, um unabhängiger von Importen aus China zu werden. „Es geht darum, eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für eine europäische Solarindustrie zu schaffen“, sagte Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt dem „Spiegel“.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) wirbt in einer „Empfehlung“ an die Politik zumindest übergangsweise für sogenannte Resilienz-Boni. Mit den finanziellen Anreizen soll die Resilienz gegenüber Lieferländern wie China gestärkt werden. Private Haushalte, die eine weitgehend in Europa gefertigte Solaranlage montieren, sollen demnach bis zu 3,5 Cent je eingespeister Kilowattstunde zusätzlich erhalten. Derzeit liegt der Preis im Schnitt zwischen 7 und 13 Cent je kWh. Für Betreiber größerer Dachanlagen und Solarparks, deren Vergütung bisher über staatliche Auktionen festgelegt wird, soll es nach Vorstellung des BSW spezielle Ausschreibungen geben, an denen nur Anlagen mit europäischen Modulen teilnehmen dürfen – gegen entsprechend höhere Preise. Der Verband schlägt vor, einen Teil des jährlich geplanten Photovoltaik-Zubaus über die Zuschüsse zu fördern, und rechnet mit Kosten von bis zu 880 Millionen Euro pro Jahr, sollten die Töpfe voll ausgeschöpft werden. Unternehmen wie Enpal aus Berlin, die Solaranlagen vertreiben, warnen hingegen vor übereiltem Protektionismus. In Solarparks etwa seien europäische Module „derzeit nicht wettbewersbsfähig“, sagte Enpal-Manager Markus Meyer dem „Spiegel“.
„Solarstrom von der Freifläche würde mit europäischen Modulen deutlich teurer.“ Sollte der Staat einen Bonus für Privatkunden schon zum Jahreswechsel einführen, träfe eine riesige Nachfrage zudem auf ein begrenztes Angebot, so Meyer. Mehr Vorlauf wiederum hätte zur Folge, dass Menschen mit dem Kauf einer Solaranlage womöglich warten, bis die neue Förderung greifen würde. Das Bundeswirtschaftsministerium will die Solarindustrie in Deutschland und Europa zwar fördern, dafür aber lieber direkt bei den Herstellern ansetzen.
Das Haus von Robert Habeck (Grüne) hat ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren für Produzenten gestartet, um staatliche Zuschüsse für den Aufbau von Kapazitäten zu bekommen. „Die Resonanz auf den Aufruf verdeutlicht ein hohes Interesse seitens der Industrie und eine hohe Bereitschaft, zur energiepolitischen und technologischen Souveränität Deutschlands beizutragen“, sagte eine Sprecherin dem „Spiegel“. „Voraussichtlich im November erfolgt dann die Aufforderung an die Unternehmen, formell einen Antrag zu stellen.“ Allerdings müsste die EU die Beihilfen noch prüfen.
Foto: Solarzellen auf Hausdach (Archiv) [dts]