Im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs ist die Zahl der in Deutschland als Flüchtlinge anerkannten russischen Männer im wehrfähigen Alter deutlich gesunken. Das Bundesinnenministerium verzeichnete bis Ende August bei 904 entschiedenen Anträgen lediglich elf Anerkennungen, wie aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger hervorgeht, über die die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten.
Der größte Teil der Anträge – 836 von 904 – wurde aus formellen Gründen erledigt. Dazu kann unter anderem gehören, dass ein anderes EU-Land als zuständig erachtet wird, etwa weil der Antragsteller dort nach Einreise in die EU als erstes registriert wurde. Die Zahl der Schutzanträge stieg deutlich, von 1.150 im Jahr 2022 auf 2.337 in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres. Im Jahr 2022 waren 81 russische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 45 Jahren als asylberechtigt anerkannt worden oder hatten andere Bleibemöglichkeiten, etwa über subsidiären Schutz erhalten. 361 der 1.150 Anträge wurden 2022 aus formellen Gründen zurückgewiesen. Staatssekretär Mahmut Özdemir verwies in der Antwort auch auf Gerichtsurteile und stellte fest, dass es keinen Automatismus in der Schutzzuerkennung gebe. Es finde stets eine Einzelfallprüfung statt. Die Linksfraktion kritisierte die Praxis: Die Entscheidungspraxis der Asylbehörden habe sich offenkundig verschärft, obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besseren Schutz für russische Geflüchtete versprochen hatte, die sich nicht an dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollten, sagte die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, dem RND. „Ich fordere die Bundesregierung auf, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) anzuweisen, russischen Kriegsdienstverweigerern großzügig Schutz zu gewähren, wie es angekündigt worden war.“ Zudem müssten humanitäre Visa bereitgestellt werden, da die meisten Kriegsdienstverweigerer aus Russland in Drittstaaten festsäßen und ohne Visum nicht nach Deutschland kommen könnten.
Foto: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Archiv) [dts]