Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, fordert einen beschleunigten Zugang für geflüchtete Menschen in den Arbeitsmarkt. „Wir sollten allen Geflüchteten niedrigschwellig und unkompliziert Integration ermöglichen“, sagte die SPD-Politikerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagsausgabe).
„Dazu gehört die Abschaffung von Arbeitsverboten und der schnelle Zugang zum Integrationskurs.“ Auch die Arbeitgeber seien gefragt: Auch wenn sich Unternehmen gegenüber ausländischen Arbeitskräften grundsätzlich sehr offen zeigten, brauche es mehr Flexibilität. „Oft finden Eingewanderte keine Arbeit, weil ein Zertifikat fehlt oder der Abschluss eines Sprachkurses noch aussteht.“ Deutsch lerne man aber am besten auf der Arbeit – „in Action“, sagte Alabali-Radovan. Unterdessen fordert der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, eine Verschärfung der geplanten europäischen Asylreform. Das Asylrecht dürfe nicht länger zweckentfremdet werden „als Türöffner und Rechtfertigung einer an sich illegalen Einwanderung“, sagte Papier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). Dabei bezog er sich auf Personen, die „offenkundig kein Recht auf Asyl haben, etwa weil sie aus sicheren Herkunfts- oder Transitländern kommen“. Grenzkontrollen hätten nur dann einen Sinn, wenn sie vor allem „der Verweigerung der Einreise dieser Personen dienen“, fügte der Verfassungsjurist hinzu. Papier brachte eine Vorprüfung von Schutzansprüchen in einem formalisierten Einreiseverfahren ins Gespräch, das mit der elektronischen Einreisegenehmigung in den USA vergleichbar wäre. „Eine Vorprüfung vor der Einreise, ob der geltend gemachte Fluchtgrund plausibel und dringlich ist, würde eine geordnete und legale Einreise ermöglichen und gewährleisten“, sagte er. „Eine solche legale Einreise wäre regelmäßig die Voraussetzung für die Durchführung des eigentlichen Asylverfahrens.“ Die Durchführung der aufwendigen Asylverfahren auch für die vielen Menschen, die offenkundig kein Recht auf Asyl und internationalen Schutz hätten, „war und ist dysfunktional und objektiv Rechtsmissbrauch“, sagte Papier.
„Die Verfahren zur Gewährung von Asyl sollten von vornherein auf Personen beschränkt sein, für die ein Schutzanspruch überhaupt in Betracht kommen kann. Darüber sollte grundsätzlich bereits vor der Einreise in die EU und vor dem Grenzübertritt entschieden werden.“ Der ehemals höchste Richter Deutschlands mahnte: „Die Reformdiskussion im Hinblick auf Asyl und Migration muss sich neben anderen Fragen dieser Thematik stellen, soll die Reform zielführend sein und sich nicht mit Halbherzigem oder gar mit Symbolik begnügen.“ Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, mahnt derweil zur Sachlichkeit in der Debatte.
„Dass Flüchtlingsschicksale dieser Tage für europa- oder wahlpolitische Motive missbraucht werden, finde ich erschreckend“, sagte sie. „Ich plädiere für eine menschenfreundliche Debatte in einer sachlichen Tonalität.“ Die EKD-Vorsitzende fügte hinzu: „Militärische Konflikte, Umweltkatastrophen und Armut weltweit führen eine rapide steigende Zahl hilfesuchender Menschen nach Europa.“ Unterbringung und Integration von geflüchteten Menschen stellten die Regierungen in Europa, vor allem die aufnehmenden Kommunen unter Druck.
„Die Herausforderung ist enorm, die Aufnahme ist angemessen zu organisieren und es gilt, politisch für sie einzustehen“, sagte Kurschuss. „Der Grundsatz, dass Menschen, deren Leben bedroht ist, geschützt werden müssen, darf dadurch in keiner Weise infrage gestellt werden.“
Foto: Flüchtlinge an einer Aufnahmestelle (Archiv) [dts]