Verdi-Chef Frank Werneke wirft dem Handelsverband Deutschland (HDE) in den laufenden Tarifverhandlungen eine Blockadehaltung vor, weil das Arbeitgeberangebot Reallohnverluste bedeute. „Ohne eine deutliche Bewegung der Arbeitgeber im Einzelhandel wird sich die Tarifrunde daher weiter hinziehen“, heißt es in einem Brief Wernekes, über den die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (Freitagausgabe) berichtet.
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth hatte Ende August Werneke vorgeworfen, Kompromisse in den regional geführten Tarifrunden aus seiner Gewerkschaftszentrale zu blockieren, weil er den örtlichen Tarifkommissionen zu wenig Spielraum lasse. Zudem warf er Verdi rechtswidrige Streiks vor. Die Arbeitgeber hatten im Juli eine Tarifanhebung ab August um 5,3 Prozent und im Mai 2024 um weitere 3,1 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten gefordert. Darüber hinaus soll es einen von allen Steuern und Abgaben befreiten Inflationsausgleich von 450 Euro geben, den Betriebe aber auch streichen können, wenn sie das überfordern würde. Das sei „deutlich entfernt von einem möglichen Abschluss“, schreibt Werneke in seinem Brief an Genth. Verdi fordert eine pauschale Erhöhung der Stundenlöhne um 2,50 Euro für eine Laufzeit von zwölf Monaten und einen Mindestlohn von 13 Euro. In den Regionen blieben bisher jeweils fünf Verhandlungsrunden ergebnislos. Die Gewerkschaft will die Arbeitgeber im Abschluss auch dazu verpflichten, die Allgemeinverbindlichkeit ihres Tarifvertrags im jeweiligen Bundesland zu beantragen. Das müssten Verdi und Handelsverband gemeinsam machen, der jeweilige Arbeitsminister des Landes könnte ihn dann für allgemeinverbindlich erklären. Verdi ist das im Einzelhandel besonders wichtig, weil nur noch etwa jeder und jede dritte Beschäftigte nach Tarif bezahlt wird. Für die Allgemeinverbindlichkeit dürfe Verdi aber nicht streiken, hatte Genth Werneke vorgeworfen. Verbände und tarifgebundene Unternehmen dürften nicht durch Streikdruck dazu gezwungen werden, die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen.
In mehreren Ländern hatten die Arbeitgeber dagegen geklagt, in erster Instanz aber stets verloren. Werneke zeigt sich in seinem Antwortbrief nun verwundert darüber, dass sein Tarifpartner sich gegen eine Allgemeingültigkeit der gemeinsamen Tarifverträge wehrt. Das sei wichtig für einheitliche Arbeitsbedingungen in der Branche und mehr Fairness im Wettbewerb. „Es ist mir völlig unverständlich, dass Sie sich Initiativen für allgemeinverbindliche Tarifverträge im Einzelhandel verweigern und stattdessen die Zunahme von tarifungebundenen Mitgliedschaften hinnehmen oder sogar befördern“, kritisiert er den HDE-Chef, „Sie treiben damit den Einzelhandel in eine Abwärtsspirale.“
Foto: Verdi (Archiv) [dts]