Führende Volkswirte haben die China-Strategie der Bundesregierung grundsätzlich positiv kommentiert. „Die Strategie ist ein Schritt nach vorne. Da wird vieles angesprochen und gedanklich vorbereitet, das uns bevorsteht“, sagte der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagausgabe).
Die Strategie sei allerdings „ein bisschen dünn, wenn es um die Umsetzung geht“. Was beispielsweise genau ein Klumpenrisiko eines Unternehmens ist und was daraus folgt, bliebe noch unklar. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts in München, lobte, dass die Strategie „eine Mittelposition einnimmt und damit Spielräume lässt“.
Probleme würden klar angesprochen, zum Beispiel die fehlenden Reziprozität beim Marktzugang. Es sei richtig, auf eine Diversifikation der Lieferketten hinzuwirken – nicht auf eine wirtschaftliche Autarkie, die viel zu teuer würde. „Und Unternehmen bekommen die klare Botschaft, dass ihre Risiken im Krisenfall nicht auf den Staat abgewälzt werden“, sagte Fuest der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagausgabe). Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Globale und regionale Märkte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln sagte, die China-Strategie der Bundesregierung analysiere „bemerkenswert offen das schwierige Verhältnis zu China“.
Bei den Handlungsempfehlungen gebe es „viele richtige und wichtige Ansätze – doch manches greift noch zu kurz“, so Matthes. „Es fehlt vor allem an einem konkreten Konzept, wie das dringend nötige De-Risking funktionieren soll.“ Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) erklärte, die Pandemie und der russische Angriff auf die Ukraine hätten gezeigt, dass es sinnvoll sei, Handelsrisiken zu reduzieren. „Dementsprechend ist es auch richtig, die Belastbarkeit der deutsch-chinesischen Brücke zu prüfen“, so Jandura.
„Es wäre aber falsch, sie abzureißen. Risiken zu minimieren bedeutet nicht, alle Geschäftsbeziehungen aufzugeben. Dafür sind die deutsche und die chinesische Wirtschaft auch viel zu verwoben“, sagte er weiter. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), hat die Vorlage der China-Strategie der Bundesregierung als Schritt zu einer realistischeren Betrachtung Chinas begrüßt.
„Die China-Strategie ist bei der Neuausrichtung der deutschen China-Politik ein wichtiges Etappenziel“, sagte Roth dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). Allzu lange seien unter Bundeskanzlerin Angela Merkel Probleme ausgeblendet worden, beklagte Roth. Man habe „an der `Business-First`-Devise festgehalten und die vielen bedrohlichen Entwicklungen in China ignoriert“. China habe sich aber unter der Führung von Präsident Xi Jinpings Herrschaft drastisch verändert.
„Es ist nicht mehr länger nur ein wichtiger Wirtschafts- und Handelspartner, sondern eine Bedrohung für unsere demokratischen Partner im Indo-Pazifik und für die gesamte regelbasierte internationale Ordnung“, sagte Roth. Kritik kommt aus der Opposition. Zwar sei es „gut und notwendig, dass die Bundesregierung endlich ihre China-Strategie vorgelegt hat“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Johann Wadephul (CDU). „Aber auch hier bleibt das zentrale Problem dieser Ampel-Regierung, dass Papier und Handeln weit auseinanderfallen.“
Das sei schon bei der Nationalen Sicherheitsstrategie so gewesen. „Denn der kurz darauf vorgelegte Haushaltsentwurf für 2024 spiegelt in keiner Weise die in der Nationalen Sicherheitsstrategie dargelegten Prioritäten geschweige denn eine gelebte Zeitenwende wider“, beklagte der Außen- und Verteidigungspolitiker. „Bei der Entscheidung zur chinesischen Beteiligung am Hamburger Hafen, oder auch den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen ohne Pressefragen haben sich die erheblichen Unterschiede vor allem zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt nur allzu deutlich gezeigt – auch wenn diese Strategie versucht, dies zu kitten“, so Wadephul. „Dabei macht uns Uneinigkeit in der China-Politik nur schwach und angreifbar.“ Die Linke sieht in dem Strategie-Papier ein „Dokument der Ratlosigkeit“. Sie lasse „jegliche Handlungsoptionen vermissen und ist nicht mehr als ein Papiertiger, der ein Potpourri unterschiedlichster Positionen enthält“, sagte Wulf Gallert aus dem Vorstand der Linken. Es fehle „eine umfassende Analyse“, die die aktuelle Konfrontation zwischen China und den USA klar benenne. „Diese zugespitzte Situation ist nicht nur eine Gefahr für den Weltfrieden, sondern auch für eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen die Klimakrise“, so Gallert.
„Eine Politik der Deeskalation und Verhandlungen durch die Bundesrepublik und der Europäischen Union auf Augenhöhe mit beiden Kontrahenten wären wichtig, um diese Spannung aufzulösen.“
Foto: Chinesische Fahne [dts]