Vertreter der Energieindustrie fordern Staatshilfe für den von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und anderen europäischen Spitzenpolitikern geplanten Ausbau der Offshore-Windkraft in der Nordsee. „Wir müssten die Kapazitäten in Europa binnen kurzer Zeit verdreifachen oder vervierfachen“, sagte Catrin Jung, Leiterin des Bereichs Offshore beim Stromkonzern Vattenfall, dem „Spiegel“.
„Wenn die Hersteller so massiv investieren sollen, brauchen sie Unterstützung der Politik.“ Dies könnten direkte Finanzhilfen für die Hersteller von Turbinen, Rotorblättern, Maschinenhäusern und anderer Komponenten sein oder Garantien gegenüber Banken. „Die Nordsee kann das größte Kraftwerk der Welt werden“, hatte Scholz auf dem Nordseegipfel im April im belgischen Ostende angekündigt. Damals beschlossen Regierungsvertreter neun europäischer Staaten, die gemeinsame Leistung ihrer Offshore-Windparks in der Nordsee bis 2030 zu vervierfachen: von rund 30 Megawatt auf 120 Megawatt. 2050 sollen es laut Vorgabe sogar 300 Megawatt werden. Das entspräche der Leistung von etwa 300 Atomkraftwerken. Europas Windanlagenhersteller sind aber derzeit kaum in der Lage, die benötigten Kapazitäten aufzubauen. Viele hiesige Produzenten haben finanziell zu kämpfen, unter anderem der deutsch-spanische Konzern Siemens Gamesa. „Schon jetzt gibt es auf dem Markt zu wenig Angebot“, sagte Vattenfall-Managerin Jung. „An Bauteilen fehlt gerade so ziemlich alles, außer Kabeln.“ Netzbetreiber wie Tennet greifen bereits auf chinesische Hersteller etwa für Konverterstationen zurück, um ihre Offshore-Windparks an das Stromnetz anzubinden. „Für die Versorgungssicherheit ist es von Vorteil, wenn möglichst viele Teile der Lieferkette in Europa angesiedelt sind“, sagte Sven Utermöhlen, Offshore-Chef des Stromerzeugers RWE, dem „Spiegel“. Je mehr Teile in einem nahen Hafen produziert würden, desto einfacher sei die Logistik. Das senke die Kosten und schaffe zudem Arbeitsplätze.
Foto: Windrad (Archiv) [dts]