Nach einer vergleichenden Untersuchung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags ist Deutschland bei der Vergabe von Sozialleistungen an Asylbewerber während des laufenden Verfahrens nicht großzügiger als vergleichbare Staaten in West- und Mitteleuropa. So bekommen laut der Analyse, über die die „Welt am Sonntag“ berichtet, alleinstehende Asylbewerber, deren Verfahren andauert, etwa in Frankreich pro Monat 426 Euro, in Österreich 425 Euro.
In Deutschland sind es 410 Euro pro Monat. Die Summe setzt sich aus 228 Euro für den sogenannten notwendigen Bedarf zusammen, der unter anderem Kosten für Unterkunft, Ernährung und Kleidung abdeckt. Hinzu kommen 182 Euro für den notwendigen persönlichen Bedarf, etwa für Fahrkarten, Telefonkosten oder Hygieneartikel. In Großbritannien liegt der Basisbetrag pro Monat bei umgerechnet 210 Euro, in Schweden bei rund 182 Euro, in Polen werden 169 Euro ausgezahlt, in Ungarn nur 60 Euro. Spanien unterscheidet in zwei Phasen, in denen es zunächst 220 Euro und dann 350 Euro gibt. Die Wissenschaftlichen Dienste verweisen allerdings für die Untersuchung im Auftrag der CSU-Landesgruppe darauf, dass ein solcher Vergleich „nur bedingt aussagekräftig“ sei. Denn wie viel ein Asylbewerber tatsächlich erhalte, hänge auch davon ab, wo er die Leistung im jeweiligen Land beantragt. Die regionalen Unterschiede in der Unterstützung fallen unterschiedlich hoch aus. „Es gibt allerdings die deutsche Besonderheit, auch ausreisepflichtigen Ausländern weiter Sozialleistungen zu zahlen und die Tatsache, dass unsere Grundsicherung im Vergleich vieler Länder, auch Italiens oder Griechenlands, hoch ist“, sagte der Migrationsforscher Daniel Thym der Zeitung. Laut Analyse der Wissenschaftlichen Dienste müssen abgelehnte Asylbewerber in Frankreich das Land schnellstens verlassen, Hilfen des Staats werden eingestellt. Das gilt auch für Ungarn oder Schweden. Großbritannien reduziert die Zahlungen, wenn man das Land verlassen muss, in Polen laufen sie bis maximal 30 Tage nach Ablehnung des Asylantrags weiter.
In Deutschland gilt ein Recht auf Sozialleistungsbezug „bis zur Ausreise beziehungsweise Rückführung“. „Pull-Effekte müssen reduziert und Asylleistungen europäisch angeglichen werden, damit Deutschland nicht länger größter Magnet für illegale Migration in Europa ist“, fordert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Die Ampel setzt falsche Anreize bei den Asylleistungen, insbesondere für Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl und damit auch keine Bleibeperspektive haben.“ Tobias Heidland, Leiter des Forschungszentrums „Internationale Entwicklung“ im Kiel Institut für Weltwirtschaft, hält dagegen, dass finanzielle Hilfen allein keine Magnetwirkung hätten.
„Für die These, dass sich Zigtausende Menschen gezielt auf den Weg nach Deutschland machen, weil es bei uns besonders hohe Sozialleistungen gibt, existieren keine Belege“, sagte er. Zu dem „Bündel von Gründen“, die Deutschland zum Ziel machten, zähle unter anderem, dass es hierzulande im Vergleich faire Asylverfahren gebe. „Und dass viele Nationen schon mit starken Communitys im Land sind und dass diese Netzwerke den sozialen Anschluss und die spätere Suche nach Jobs erleichtert“, so Heidland.
Foto: Flüchtlinge an einer Aufnahmestelle [dts]