Asien-Experte Wuttke dämpft Erwartungen an China-Strategie

Der ehemalige Direktor der Europäischen Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, dämpft Erwartungen an die kürzlich vorgelegte China-Strategie der Bundesregierung. „Wir dürfen uns nicht vormachen, Pekings Politik großartig beeinflussen zu können. Das gelingt nicht mal den USA“, sagte Wuttke der „Welt am Sonntag“.

Zwar sei es richtig, dass die Bundesregierung darin ihre Bekenntnisse abgebe; „Auf die Machtübernahme der Kommunistischen Partei in Hongkong oder die Menschenrechtslage der Uiguren haben wir aber extrem wenig Einfluss“, sagte der 64-Jährige. Die Frage sei, „wo es Differenzen und Überlappungen gibt und was für Deutschland und Europa dabei herausspringen kann“. Wuttke, der mehr als 30 Jahre lang in China gearbeitet hat und das Land im kommenden Jahr verlassen wird, beobachtet zudem teils falsche Vorstellungen über Abhängigkeiten von China. „Wenn wir genau schauen, betreffen gefährliche Abhängigkeiten nur etwa zehn Prozent des Warenaustausches“. Das gelte vor allem für Pharmavorprodukte, Vitamin B, Magnesium und Seltene Erden. Dort müsse die heimische Produktion hochgefahren oder zur Not in befreundeten Ländern produziert werden, „um nicht erpressbar zu sein“, so Wuttke. Auch zur Empfehlung der Bundesregierung, deutsche Unternehmen sollten alternative Standorte in Staaten des Indopazifiks suchen, äußerte sich der Asien-Experte zurückhaltend. „Das Problem ist doch, es gibt kein anderes China“. Die Volksrepublik biete mit Shenzhen den modernsten Hafen der Welt, anderen Staaten im Indopazifik fehle eine solche Infrastruktur. Auch das Geschäft in Indien, das oft als möglicher Nachfolger Chinas als größter Standort für westliche Unternehmen gehandelt wird, gehe „nur ganz langsam“ los. Nach einer Bilanz seiner zurückliegenden Jahrzehnte in China gefragt, sagte Wuttke, er werde das Land „mit dem Gefühl verlassen, dass es mehr zu bieten hätte“. Die zunehmende Überwachungssucht der Regierung sowie ausbleibende Reformen würden Chinas Entwicklung verlangsamen. Allerdings habe er bereits während der Finanzkrise im Jahr 2008 einen Wechsel der Politik beobachtet. Bereits damals habe das Interesse der Regierung in Peking an Öffnung und Reformen nachgelassen. „Unser System implodierte damals, während China stand wie eine Säule und stark wuchs. Die Chinesen haben ihre Hochachtung vor unserem Wirtschaftssystem verloren“, so Wuttke.

Foto: „Verbotene Stadt“ in Peking (Archiv) [dts]

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