Der Bielefelder Verfassungsrechtler Franz Mayer hat angesichts des Umfragehochs der AfD und der 2024 anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg vor weitreichenden Hebeln gewarnt, mit denen eine künftige rechtsorientierte Landesregierung Demokratie und Rechtsstaat angreifen könnte. Bei der Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsämtern sei „der Einfluss der Landesregierungen größer, als man denkt“, sagte Mayer der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstagausgabe).
Er wies auch auf die Zuständigkeit der Länder für Polizei- und Ordnungsrecht hin. Ebenso könnte eine Landesregierung versuchen, beim Verfassungsschutz „durch Personalpolitik Einfluss zu nehmen“, so Mayer. In Thüringen stuft der Landesverfassungsschutz derzeit die AfD als gesichert rechtsextrem ein und beobachtet sie. Mayer sagte, dass vor allem der Kultusbereich mit Kultur und Bildung Ländersache ist: „So könnte eine rechtsorientierte Landesregierung etwa Vorstellungen einer völkischen Kultur in den Schulen platzieren.“ Dazu könne sie eigene Lehrpläne und Unterrichtsinhalte festlegen. Der Professor für Öffentliches Recht bezeichnete den Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn als „Menetekel, man sollte sich frühzeitig auf solche Szenarien vorbereiten“. Bezogen auf die Bundesrepublik, sieht er aber auch Gegenmittel. So sprach er sich dafür aus, nach Möglichkeit frühzeitig auf dem Klageweg gegen autoritäre Tendenzen in Bundesländern vorzugehen: „Das wäre aus meiner Sicht auch der richtige und frühzeitig zu beschreitende Weg, wenn man die Lehren aus Polen und Ungarn ziehen will: nicht warten, bis womöglich Gerichte vom Staat übernommen wurden.“ Das Grundgesetz biete darüber hinaus mit dem Homogenitäts-Gebot in Artikel 28 und dem sogenannten Bundeszwang in Artikel 37 Instrumente, mit denen der Bund rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze durchsetzen könne. „Das Grundgesetz bringt damit klar zum Ausdruck: Wir sind ein Bundesstaat, kein Staatenbund.“ Mayer sprach sich ferner dafür aus, Mittel aus dem Länderfinanzausgleich unter den Vorbehalt zu stellen, dass in einem Bundesland gesichert demokratische Verhältnisse herrschen. Auch Wirtschaftsfördermittel könnten gestrichen werden, wenn ein Bundesland ins Autoritäre abgleite. In einem Parteiverbot sieht der Verfassungsrechtler die „ultimative Waffe“. Das Gegenargument sei häufig: Man könne das nicht machen, es stoße so viele Wähler der Partei vor den Kopf, so Mayer. „Ich würde das aber umdrehen: Genau dafür ist das Verfahren ja da, wenn es so viele sind, dass die Gefahr besteht, dass Unfreiheit und Willkür in Reichweite der Macht kommen“, sagte er. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hatte kürzlich eine Studie vorgelegt, wonach die Bedingungen für ein AfD-Verbot erfüllt seien.
Foto: AfD-Plakat [dts]