Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich bislang reserviert gegenüber der Forderung nach einem UN-Sondertribunal, das mutmaßliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine untersuchen könnte. „Dass Angriffskriege international zur Anklage gebracht werden können, ist uns ein wichtiges Anliegen“, sagte Baerbock am Freitag dem „Spiegel“.
„Gerade, weil es aber bei den Möglichkeiten der internationalen Strafverfolgung des `Aggressionsverbrechens` viele offene Fragen gibt – rechtlich, praktisch und politisch – dürfen wir beim Umgang damit nicht das Kind mit dem Bade ausschütten“, sagte sie. Es müsse „daher unbedingt darauf geachtet werden, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht geschwächt, sondern gestärkt wird“. Baerbocks Zurückhaltung fußt nicht nur auf der grundsätzlichen Befürchtung, durch ein UN-Sondertribunal könnte die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs zersplittert werden. Dahinter steckt auch ein strategisches Dilemma: Hinter den Kulissen bemüht sich die Grünen-Politikerin seit Beginn des Kriegs, die Staatengemeinschaft möglichst geschlossen gegen Russland zusammenzuhalten – darunter auch die von Moskau heftig umworbenen Länder des Globalen Südens. Ein Sondertribunal könnte gerade unter diesen Staaten als Zeichen westlicher Dominanz verstanden werden.
Foto: Internationaler Strafgerichtshof [dts]