Russland wird nach Ansicht des russisch-amerikanischen Ökonomen Oleg Itskhoki über Jahre an den Folgen der von Wladimir Putin angeordneten Teilmobilisierung leiden. Das Land bewege sich auf eine „demografische Katastrophe von nationaler Tragweite“ zu, sagte er dem „Spiegel“.
Eingezogen würden vor allem Männer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. „Das ist eine Generation, die ohnehin schon eher klein ist“, so Itskhoki. Sie umfasse wegen des Einbruchs der Geburten Anfang der 90er-Jahre schon jetzt nur halb so viele Männer wie die nächsthöhere Alterskohorte. In einigen besonders stark von Mobilisierung und Flucht betroffenen Regionen könnte die Bevölkerung in dieser Altersklasse um bis zu zehn Prozent schrumpfen, so der Ökonom.
Für die Eingezogenen bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, nicht unversehrt aus dem Einsatz zurückzukehren. Itshoki schätzt die Wahrscheinlichkeit für Verwundung und Tod auf 60 bis 70 Prozent, ausgehend von den bisher beobachteten Verlusten von Rekruten aus den von Russland gesteuerten sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk. Er erwarte zudem zwei Gewaltwellen in Russland. Die erste werde unmittelbar mit „der Rückkehr der Kämpfer aus dem Kriegsgebiet zusammenhängen“, die zweite werde das Land dann mit großer Verzögerung treffen.
Sie hänge zusammen „mit den Waisenkindern, die ohne Väter aufwachsen müssen“. Itskhoki, geboren und aufgewachsen in Moskau, ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of California. Er wurde jüngst mit der Clark-Medaille ausgezeichnet, die von der angesehenen American Economist Association an herausragende Ökonomen im Alter unter 40 Jahren verliehen wird.
Foto: Straßenverkehr und Zugverkehr in Moskau (Russland) (dts)