Auf Initiative des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (OA) haben 50 Experten ein Dossier mit detaillierten Vorschlägen und Angeboten zum wirtschaftlichen Wiederaufbau in der Ukraine erarbeitet. „Wir müssen Soforthilfe leisten, etwa bei der Infrastruktur oder der Energieversorgung, aber die Zukunft gleich mitdenken“, sagte Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Das Dossier „Rebuild Ukraine“ wurde im Vorfeld der 5. deutsch-ukrainischen Wirtschaftskonferenz erarbeitet, die am Montag in Berlin stattfindet und zu der auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der ukrainische Premier Denys Schmyhal erwartet werden. In dem Papier empfehlen die Experten, dass die am Wiederaufbau beteiligten europäischen Länder und die EU jeweils einen hochrangigen Koordinator für die Ukraine ernennen. Die Koordinatoren sollen einen Rat bilden, der sich mit der ukrainischen Regierung über aktuelle Erfordernisse und Projekte austauscht. Jedes Geberland soll die Aufsicht über eigene Projektmittel behalten, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten.
Nach den Worten von Harms muss ein intelligenter Plan zweierlei leisten: „Die Bevölkerung muss schnelle Ergebnisse beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur sehen. Gleichzeitig gilt es, bereits die Grundlagen für nachhaltiges Wachstum zu schaffen.“ Dies bedeute vor allem, die „riesigen Wachstumspotenziale der Ukraine auf den Feldern Digitalisierung, Agrarwirtschaft und Grüne Energien auszuschöpfen und konsequent auf den Aufbau einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu setzen“. Solange Krieg herrsche, sei natürlich nicht mit einer riesigen Investitionswelle deutscher Unternehmen in der Ukraine zu rechnen, sagte Harms.
Das werde eher ein schleichender Prozess, den es aber vorzubereiten gelte. Und es gebe positive Signale deutscher Firmen, die ihr Engagement in der Ukraine trotz des Krieges aufrechterhalten oder sogar ausbauen, etwa in der Autozulieferindustrie oder im Baustoffhandel. Den Vorstellungen der deutschen Unternehmen zufolge, sollten sich nach dem Muster des Marshall-Plans nach dem Zweiten Weltkrieg für Westdeutschland internationale Geber und die Regierung in Kiew darauf konzentrieren, schnelle Anreize für die Privatwirtschaft zu schaffen. „Die Unternehmen brauchen für ihr Engagement verlässliche Ansprechpartner, zügige Ausschreibungen und Genehmigungen sowie finanzielle und juristische Absicherungen“, so Harms.
Das Dossier „Rebuild Ukraine“ beschäftigt sich auf 20 Seiten mit den Themen Bauen, Logistik und Infrastruktur, Digitalisierung, Energie, Gesundheit und Agrarwirtschaft. Die Überlegungen sollen am Montag bei der Wirtschaftskonferenz gemeinsam mit ukrainischen Partnern diskutiert werden. Dabei ist die Ausgangssituation schwierig. Nach Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar ging das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2022 um 37,2 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zurück.
Wie aus Wirtschaftsdaten des OA weiter hervorgeht, „trieben Versorgungsunterbrechungen sowie ein rasant wachsendes Haushaltsdefizit im August die Inflation auf 23,8 Prozent“.
Foto: Ukrainische Flagge [dts]