Nach dem Wegfall von Corona-Maßnahmen und der Einführung des 9-Euro-Tickets hat es im ersten Halbjahr einen deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen im ÖPNV gegeben. Das Aufkommen war mit fast 4,8 Milliarden Fahrgästen um mehr als ein Drittel (+36 Prozent) höher als im Vorjahreszeitraum, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit.
Allerdings lagen die Fahrgastzahlen im Linienverkehr immer noch rund ein Fünftel (-21 Prozent) unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2019, dem letzten Halbjahr vor der Corona-Pandemie. Besonders stark stiegen in den ersten sechs Monaten des Jahres die Fahrgastzahlen im Linienfernverkehr, der in der Coronakrise am stärksten zurückgegangen war: Mit 62 Millionen Personen reisten mehr als doppelt so viele Menschen in Fernzügen als im Vorjahreszeitraum (+119 Prozent). Der Linienfernverkehr mit Bussen war im ersten Quartal 2021 fast zum Erliegen gekommen. Nun reisten wieder 2,4 Millionen Fahrgäste in Fernbussen, sieben Mal mehr als im ersten Halbjahr 2021 (+617 Prozent). Insgesamt lag die Zahl der Fernverkehrsreisenden aber immer noch ein Viertel (-25 Prozent) unter dem Vorkrisenniveau der ersten sechs Monate 2019. Im ÖPNV, der 99 Prozent des Linienverkehrs ausmacht, ist das Fahrgastaufkommen im ersten Halbjahr des Jahres nach vorläufigen Ergebnissen um 35 Prozent gewachsen, blieb aber noch 21 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Im Eisenbahnnahverkehr (einschließlich S-Bahnen) wuchs die Zahl der Fahrgäste gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte (+55 Prozent) auf fast 1,1 Milliarden. Mit Straßenbahnen fuhren fast 1,6 Milliarden Fahrgäste (+40 Prozent). Die derzeit gemeldeten Daten für den Nahverkehr mit Bussen, der für die ersten beiden Quartale 2022 lediglich einen Anstieg von 23 Prozent auf 2,3 Milliarden Fahrgäste aufweist, bilden den Statistikern zufolge den tatsächlichen Zuwachs nicht vollständig ab, da nur wenige Busse über automatisierte Fahrgastzählsysteme (AFZS) verfügen, die besonders zuverlässige Angaben liefern. Die für das gesamte erste Halbjahr des Jahres ermittelten Anstiege der Fahrgastzahlen waren von April bis Juni besonders ausgeprägt. Neben der „entspannten Corona-Lage“ führte auch das am 1. Juni eingeführte 9-Euro-Ticket zu mehr Fahrgästen, so das Bundesamt. Im Liniennahverkehr stiegen die Fahrgastzahlen gegenüber dem Vorjahresquartal um 39 Prozent, wobei Nahverkehrszüge fast zwei Drittel (+64 Prozent) und Busse ein Viertel (+25 Prozent) mehr Fahrgäste beförderten. Noch höher waren die Zuwächse im Linienfernverkehr, der sich mehr als verdoppelte (+133 Prozent), wobei in Fernzügen 125 Prozent mehr Menschen und in Fernbussen sechsmal (+501 Prozent) so viele Personen reisten als im zweiten Quartal letzten Jahres. Dennoch blieb die Zahl der Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr insgesamt auch im von April bis Juni immer noch 13 Prozent unter dem Vorkrisenniveau des zweiten Quartals 2019. Im Eisenbahnnah- und -fernverkehr waren die Menschen nicht nur häufiger, sondern auch auf längeren Strecken unterwegs. Reisten sie im Bahnnahverkehr im ersten Halbjahr 2021 noch rund 18 Kilometer weit, so waren es von Januar bis Juni des Jahres durchschnittlich 20 Kilometer, wobei im zweiten Quartal mit 21 Kilometern längere Strecken als im ersten Quartal zurückgelegt wurden. Hierzu dürfte laut den Statistikern ab dem 1. Juni auch das 9-Euro-Ticket beigetragen haben. Die Beförderungsleistung im Bahnnahverkehr, also die Summe der von allen Fahrgästen zurückgelegten Kilometer, stieg somit gegenüber den Vorjahreszeiträumen im ersten Halbjahr 2022 um 76 Prozent und im zweiten Quartal 2022 um 94 Prozent. Im Bahnfernverkehr übersteigen die durchschnittlichen Reisedistanzen bereits seit dem dritten Quartal 2021 die 300-Kilometer-Marke und sind damit auch höher als vor der Coronakrise, so das Bundesamt.
Foto: Vollbesetzte U-Bahn während der Corona-Pandemie (dts)