Die Aufrüstung der russischen Marine mit neuen Schiffen und Überschallwaffen geht trotz westlichem Embargo und Ukraine-Krieg ungebremst weiter. „Ich gehe davon aus, dass die russische Marine im Wesentlichen gestärkt aus dem Ukraine-Krieg herausgehen wird“, sagte der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, der „Welt“.
Man erkenne derzeit den ungebremsten Neubau von modernen Einheiten, die hoch effektiv ausgerüstet seien. „Da scheint das westliche Embargo noch nicht zu greifen. Wir bemerken, dass die Einheiten mit Überschallwaffen ausgestattet werden oder mit ballistischen Iskander-Raketen. Darauf müssen wir uns einstellen.“
Die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, neuartige Hyperschall-Seeraketen namens „Zirkon“ schon bald auf der Fregatte „Admiral Gorschkow“ in Dienst zu stellen, sei keine Propaganda: „Ich nehme das ernst. Sehr ernst.“ Kaack warnte vor russischen Angriffen unter Wasser. „Sie dürfen nicht nur auf das Wasser gucken, auch unter Wasser hat Russland erhebliche Kapazitäten aufgebaut“, sagte der Vizeadmiral.
„Auf dem Grund der Ostsee, aber auch im Atlantik gibt es einiges an kritischer Infrastruktur wie Pipelines oder Unterseekabel für IT. Da können sie Ländern wie Estland schnell das Licht ausschalten, und es gibt Gefährdungen der globalen Kommunikationsstrukturen, auf die man besonders achten muss.“ Es habe einen Grund, wenn russische Unter- oder Überwassereinheiten sich zuletzt über längere Zeit im Bereich dieser Kabel aufgehalten hätten. Der Inspekteur pocht auf das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), neben dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen auch den regulären Haushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Die Bundeswehr müsse funktionieren, um abschrecken zu können: „Dazu brauchen wir das Sondervermögen und die Anhebung des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Kanzler hat das zugesagt, ich nehme ihn beim Wort.“
Neben dem Kauf neuer Schiffe habe für die Marine besonders die Beschaffung von Munition und Ersatzteilen höchste Priorität. Im Zuge der neuen NATO-Strategie würden künftig fast alle operativ verfügbaren Einheiten der Marine in Bereitschaft für die Allianz gebunden sein. „Das bedeutet, dass wir im Bereich der Einsätze flexibler herangehen müssen“, sagte Kaack.
Die Gleichzeitigkeit von Landes- und Bündnisverteidigung, Missionen im Indopazifik und den zahlreichen Auslandseinsätzen werde man sich nicht mehr erlauben können. „Wir sind zurzeit oftmals die einzige Nation, die 365 Tage rund um die Uhr eine Einheit stellt“, so der Vizeadmiral. „Künftig müssen wir auch einmal eine Lücke akzeptieren. Oder ressortgemeinsam schauen, wer eine solche Aufgabe noch erfüllen kann. Oder wir könnten Schiffe und Flugzeuge mieten, wie das andere Nationen auch tun.“
So habe Dänemark bei der NATO-Operation Atalanta am Horn von Afrika über Jahre ein luxemburgisches Überwachungsflugzeug gemietet und damit seinen Beitrag erfüllt.
Foto: Russisches Kriegsschiff (dts)