Arbeitsmarktforscher dringt auf Abbau von Hürden für Zuwanderung

Mit Blick auf die Fachkräftestrategie der Bundesregierung hat der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mehr Erleichterungen für gezielte Zuwanderung aus Drittstaaten gefordert. „Ohne Zuwanderung würden wir bis 2030 rund fünf Millionen Arbeitskräfte durch den demografischen Wandel verlieren“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe).

„Zum Ausgleich bräuchte man ein Migrationssaldo von 400.000 Menschen pro Jahr – Zuwanderung abzüglich Abwanderung“, so Weber. „Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist rechnerisch am meisten durch die Migration aus Drittstaaten möglich“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Innerhalb der EU sei das Potenzial bereits deutlicher begrenzt, da andere EU-Länder teils noch stärker altern würden als die deutsche Gesellschaft. „Die größte Hürde bei der Zuwanderung ist bislang, dass ein anerkannter beruflicher Abschluss vorausgesetzt wird. Die von der Bundesregierung geplante Chancenkarte zielt nun darauf ab, dass Zuwanderer zur Arbeitssuche auch ohne anerkannten Berufsabschluss nach Deutschland kommen können. Das ist richtig, aber es reicht bei Weitem noch nicht aus“, kritisierte der Ökonom.

Es müsse auch erleichtert werden, dass Menschen bereits mit einem Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen können – „und zwar auch dann, wenn sie nicht über einen anerkannten Abschluss verfügen“, so Weber. Im Ausgleich dafür solle berufsbegleitend eine gezielte Weiterqualifikation und Sprachförderung angeboten werden, die zu einer beruflichen Entwicklung führen könne.

„Entscheidend ist, dass man die Menschen dann auch gut integriert und in Deutschland hält. Denn es ist wenig gewonnen, wenn viele zuwandern, aber viele auch wieder abwandern. Die Abwanderungsquote von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft lag vor Corona mit rund neun Prozent sehr hoch“, sagte der Arbeitsmarktexperte. Als weitere Hebel im Kampf gegen den Fachkräftemangel nannte Weber den Abbau von Arbeitslosigkeit und eine bessere Beteiligung auf dem Arbeitsmarkt im Inland, besonders von älteren Menschen und Frauen.

„Wenn man bis 2030 Vollbeschäftigung erreicht und somit die Arbeitslosigkeit halbiert, ließen sich dadurch etwa eine Million Beschäftigte gewinnen“, sagte er. „Nötig wäre auch, die Beteiligung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und eine längere Lebensarbeitszeit zu schaffen. Dafür braucht es ein schlüssiges Konzept, welche Tätigkeiten ältere Beschäftige am besten übernehmen und wie sie in Richtung dieser Fähigkeiten entwickelt und qualifiziert werden können. Kaum ein Dachdecker kann bis 67 arbeiten, das ist utopisch“, so Weber weiter.

Foto: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (dts)

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