Der Berliner Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sieht in den kommenden Monaten Chancen für einen Waffenstillstand in der Ukraine. „Wenn die Kriegsführung weniger intensiv wird, ist es bis zu einer Waffenruhe nur ein kleinerer Schritt“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe).
„Ich halte das in den nächsten Monaten durchaus für möglich.“ Allerdings sei ein solcher Waffenstillstand „sehr fragil“. Der Krieg, so Meister, trete in seine „dritte Phase“ ein. „Das heißt, die Intensität wird entlang der langen Frontlinie abnehmen“, sagte der Experte, der bei der DGAP das Programm Internationale Ordnung und Demokratie leitet. Meister gab auch eine Schätzung der Kosten des Krieges ab: „In der Ukraine sind es monatlich etwa fünf Milliarden Euro, um diesen Staat am Leben zu erhalten. Der Aufbau des Landes würde aktuell 250 bis 300 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen die Waffenlieferungen.“ Der Wissenschaftler kritisierte die Art der Unterstützung der Ukraine durch die Bundesregierung: „Deutschland tut viel, aber es reagiert nur auf Druck von außen. Es fehlte eine umfassende Planung, als klar wurde, der Konflikt hält länger an. Und die Kommunikation, die insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz abliefert, ist hierbei verheerend.“
Allerdings sieht der DGAP-Experte auch bedenkliche Tendenzen auf der ukrainischen Seite. „Der ukrainische Staatschef Selenskyj nimmt wenig Rücksicht auf das Parlament und tritt nun im Krieg zunehmend autoritär auf. Es besteht die Sorge, dass er diesen Kurs nach dem Krieg fortsetzt. Andererseits hat das Land eine starke Zivilgesellschaft, es ist ein pluralistisches System, ganz anders als Russland. Aber richtig ist auch: Selenskyj ist kein Demokrat.“
Foto: Russisches Kriegsgerät, MOD (dts)