Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wächst wegen unerfüllter Arbeitszeitwünsche. Die Bruttoeinkommen der Beschäftigten sind seit 1993 um die Hälfte ungleicher geworden, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), über die die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwochausgabe) berichtet.
Der Anstieg wäre demnach nur etwa halb so stark, wenn Beschäftigte ihre Arbeitszeit stärker selbst bestimmen könnten. So sind die 20 Prozent mit den höchsten Einkommen aktuell im Schnitt 38 Stunden die Woche tätig – drei Stunden mehr, als sie laut Befragungen wollen. Dabei spielen Überstunden eine große Rolle. Die 20 Prozent mit den niedrigsten Einkommen würden dagegen oft gerne länger tätig sein – und entsprechend mehr verdienen. Besonders auffällig ist das bei bestimmten Gruppen: So arbeiten Berufsanfänger und Wiedereinsteiger vier Stunden kürzer als gewünscht, Mütter zwei Stunden. Bemerkenswert ist auch, dass die 20 Prozent Wenigverdiener heute im Schnitt zehn Stunden weniger pro Woche arbeiten als vor 30 Jahren. Die Wissenschaftler sehen mehrere Ursachen. So sei seit den 1990er-Jahren der Einfluss der Gewerkschaften geschwunden. Heute zahlen nur noch etwa halb so viele Firmen nach Tariflohn wie damals. Damit fehlt Wenigverdienern die Unterstützung, bei den Firmen gewünschte Arbeitszeiten durchzusetzen. Auch schwächten die Hartz-IV-Reformen die Verhandlungsposition von Niedriglöhnern. Auffällig ist auch, dass die Arbeitszeiten von Wenigverdienern parallel mit der Ausweitung der Minijobs gefallen sind.
„Dass Mütter häufig beruflich unterbeschäftigt sind, deutet darauf hin, dass die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor ihre beruflichen Perspektiven und Karrierewege einschränkt“, so DIW-Forscher Carsten Schröder.
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