Berlin – Angesichts des Programms des Bundes zugunsten der mit Überlastung und Chaos kämpfenden Luftverkehrswirtschaft fordern jetzt weitere Branchen staatliche Hilfe bei der kurzfristigen Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. „Wie die Luftfahrtbranche braucht auch das Gastgewerbe Unterstützung der Bundesregierung“, sagte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, der „Welt am Sonntag“ dazu.
„Hilfreich wäre es, die sogenannte Westbalkanregelung für den erleichterten Zuzug von Menschen zur Arbeitsaufnahme in Deutschland über die derzeit festgelegten 25.000 Menschen aufzustocken.“ Die Vizegeschäftsführerin des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe, Anna Catharina Klein, fordert: „Die Pflegebranche benötigt ebenfalls ein aktuelles Hilfsprogramm der Bundesregierung, um dem immer größeren Personalmangel möglichst rasch entgegenzuwirken.“ Kurzfristig sei es wichtig, dass das Personal in den Botschaften und Konsulaten aufgestockt werde, „damit die Visaanträge auch tatsächlich in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist bearbeitet werden können“, so Klein. „Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland nicht nur einen Fachkräfte-, sondern vielmehr einen Arbeitskräftemangel haben, muss der Arbeitsmarkt weiter geöffnet werden, um allen Branchen das Anwerben von Arbeitskräften – gleich aus welchem Staat sie stammen – zu ermöglichen“, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken der Zeitung.
Der Ökonom Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hält auch die Einwanderung ungelernter Kräfte für notwendig: „Es ist klar, dass wir durch den demografischen Wandel nicht nur eine hohe Arbeitsnachfrage nach Fachkräften haben.“ Auch aus großen Unternehmen kommen entsprechende Forderungen. Die Initiative des Bundes für die Luftfahrtunternehmen sei grundsätzlich richtig, erklärte der Personalvorstand der Deutschen Post, Thomas Ogilvie: „Was ich falsch finde, ist, dass es auf einzelne Branchen beschränkt wird, weil das auf viele Felder anwendbar ist, sei es im Einzelhandel, im Reinigungsgewerbe, aber eben auch in der Logistik.“ Ogilvie kritisierte, dass es bisher für Menschen aus Nicht-EU-Ländern ohne Berufsabschluss grundsätzlich nicht möglich sei, hier eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
„Wir würden tatsächlich, ob es in der Sortierung ist oder bei Zustelltätigkeiten, genau solche Kräfte einsetzen“, kündigte er an. Der Bund plant jedoch kurzfristig keine Unterstützung von Anwerbeaktionen über die Luftfahrtbranche hinaus. „Weitere Ad-hoc-Lösungen sind nicht das Ziel der Bundesregierung“, stellte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage klar. „Vielmehr geht es uns um einen auf Dauer angelegten, umfassenden Ansatz für eine erfolgreiche Arbeits- und Fachkräfteeinwanderung.“
In einem Brief an die Luftfahrtunternehmen, über den die „Welt am Sonntag“ berichtet, stellt die Regierung klar, dass es sich bei den ergriffenen Maßnahmen um eine „einmalige und zeitlich befristete Ausnahmehilfsaktion handelt“, um das Chaos an den Flughäfen zu begrenzen. Flugreisende müssen sich indes weiter auf enorme Störungen einstellen. Zwar stehen nun die ersten angeworbenen Mitarbeiter bereit, um die Arbeit an Flughäfen aufzunehmen. „Wir haben von 500 Menschen aus der Türkei die vollständigen Unterlagen vorliegen, die die Behörden für die Genehmigungen zur Arbeitsaufnahme brauchen“, sagte Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, der „Welt am Sonntag“.
Und die Datensätze von weiteren 500 würden vorbereitet. Doch zunächst müssen die Bewerber eine umfassende Überprüfung durchlaufen, weil an Flughäfen besondere Sicherheitsstandards gelten. Diese dauert allerdings in aller Regel sechs bis acht Wochen.
Foto: Kopftuchträgerinnen (dts)