Das von der Ampel-Koalition geplante Selbstbestimmungsgesetz, das transsexuellen Menschen den Wechsel ihres Geschlechtseintrags per Selbstauskunft beim Standesamt ermöglichen soll, ist hoch umstritten. 46 Prozent der Deutschen bewerten die Pläne in einer Umfrage von YouGov für die „Welt am Sonntag“ positiv, 41 Prozent lehnen sie ab.
Die vorgesehene Regelung, dass auch Jugendliche mit Zustimmung der Eltern das Geschlecht selbst festlegen dürfen, wird indes überwiegend für falsch gehalten. Nur 39 Prozent stimmen zu, 48 Prozent sind dagegen. Der Rest ist unentschlossen. Große Meinungsunterschiede gibt es bei den jeweiligen Parteianhängern.
Während 71 Prozent der Grünen-Wähler den Geschlechtswechsel durch Selbstauskunft begrüßen (64 Prozent bei Jugendlichen), sind die FDP-Wähler mit Abstand am skeptischsten. Jeder zweite ist gegen den vereinfachten Geschlechtswechsel (60 Prozent bei Jugendlichen). Das ist insofern bemerkenswert, als die Reform vom grün geführten Familienministerium gemeinsam mit dem FDP-geführten Justizministerium verantwortet wird. Gleichwohl verteidigt Ressortchef Marco Buschmann (FDP) das Vorhaben: Es gehe nicht um „Anpassung des Rechts an einen vermeintlichen Zeitgeist“, sagte der Liberale der „Welt am Sonntag“ dazu.
„Es geht um ein zentrales Versprechen des Grundgesetzes: das Versprechen gleicher Freiheit und gleicher Würde aller Menschen.“ Das Bundesverfassungsgericht habe wesentliche Vorschriften des bisherigen Transsexuellengesetzes für verfassungswidrig erklärt, weil sie das „Recht auf persönliche Selbstbestimmung“ verletzten. „Für mich als Justizminister ist deshalb klar: Wenn wir es ernst meinen mit den Werten des Grundgesetzes, müssen wir das Transsexuellengesetz ablösen.“ Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte der „Welt am Sonntag“ dazu: „Trans- und intergeschlechtliche Menschen müssen seit Jahrzehnten darauf warten, dass ihnen ein selbstbestimmtes Leben entsprechend ihrer Geschlechtsidentität ermöglicht wird. Es ist mehr als überfällig, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen an die gesellschaftliche Realität anpassen.“
Mit dem nun vorgesehenen „unkomplizierten Behördengang“ werde die Zeit beendet, in der trans- und intergeschlechtliche Menschen unnötig drangsaliert worden seien. Die Publizistin Chantal Louis, die mit der Feminismuspionierin Alice Schwarzer kürzlich die Streitschrift „Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?“ verfasst hat, begrüßte es, dass eine Mehrheit der Bürger gegen das vereinfachte Verfahren für Jugendliche ist: Dem Geschlechtswechsel auf dem Papier folge nämlich „häufig eine medikamentöse Behandlung mit Pubertätsblockern und Hormonen, die auch jetzt schon in Deutschland bei Minderjährigen möglich ist und praktiziert wird“, sagte sie der Zeitung. „Skandalöserweise verschweigen dies die zuständigen Minister Paus und Buschmann, die bei der Vorstellung des geplanten Gesetzes die entscheidenden Zahlen und Fakten nicht kannten.“
Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut Yougov insgesamt 1.796 Personen vom 12. bis 14. Juli 2022.
Foto: Regenbogen-Fahne (dts)