Missbrauchsbeauftragte beklagt Mangel an Daten

Berlin – Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, dringt auf eine Verbesserung der Datenlage über das Ausmaß sexueller Gewalt in Deutschland. Es sei ein Skandal, dass es keine validen Zahlen gebe, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Selbst die Polizeiliche Kriminalstatistik bilde nur einen Teil des sogenannten Hellfeldes ab. „Wenn wir aber wissen wollen, ob und wo Personen nach sexueller Gewalterfahrung im Hilfesystem ankommen, brauchen wir auch das Hellfeld des Gesundheitssystems, der Jugendhilfe und der Justiz.“ Notwendig seien aber auch Erhebungen über das weitaus größere Dunkelfeld. „Wie soll ich dem Bundestag berichten und bedarfsgerecht handeln, wenn mir valide Zahlen zu Ausmaß sexualisierter Gewalt fehlen?“, fragte die Missbrauchsbeauftragte. Um kontinuierlich Daten erheben zu können, brauche es ein „Forschungszentrum Prävalenz sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen“. Nur so ließen sich auch Veränderungen abbilden. Auf das Thema Vorratsdatenspeicherung angesprochen sagte Claus, es müssten alle technischen und rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um Jugendschutz auch in der digitalen Welt zu verwirklichen. Es sei „absurd“, dass einerseits Kinder auf den Schulhöfen mit Lehrern oder Polizisten Verkehrsregeln und Fahrradfahren lernten – „und dieselben Kinder in einer digitalisierten Gesellschaft vor ihren digitalen Endgeräten sitzen und nicht die kleinsten Leitplanken und auch Regeln gezeigt bekommen“.

Der Staat könne nicht so tun, als stünde dieser Schutz allein in der Verantwortung der Eltern oder gar der Kinder und Jugendlichen selbst. Claus beklagte auch große Wissensdefizite bei Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Es gebe überall „riesige Leerstellen“, ob das in medizinischen Berufen ist, in pädagogischen oder auch in der Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten. Das Thema sexualisierte Gewalt müsse in den kommenden Jahren verpflichtend in allen grundständigen Ausbildungsordnungen und der Weiterbildung für alle Berufszweige verankert werden, die in ihrer spezifischen professionellen Perspektive auf Kinder blicken.

Foto: Kinder (dts)

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