New York – Der neue Chefredakteur der „New York Times“, Joe Kahn, fürchtet um die politische Stabilität der USA. „Ich sorge mich ziemlich um unsere Demokratie“, sagte er dem „Spiegel“.
Als die größten Gefahren für das demokratische System nannte er Ex-Präsident Donald Trump und die Republikaner, die mit Lügen und gezielter Desinformation versuchten, die Integrität künftiger US-Wahlen „zu untergraben“. Kahn trat Mitte Juni die Nachfolge von Dean Baquet an, der die „Times“ acht Jahre lang als erster schwarzer Chefredakteur in der Geschichte der einflussreichsten US-Zeitung geleitet hatte. Kahn war zuletzt sein Stellvertreter. Bevor er 1998 zur „Times“ kam, berichtete er für die „Dallas Morning News“ und das „Wall Street Journal“ aus China.
Für seine Arbeit wurde Kahn mit zwei Pulitzerpreisen ausgezeichnet. Der Journalist kritisierte die konservativen Medien der USA, allen voran den TV-Kabelsender FOX News, weil sie die Bestrebungen der Trump-Anhänger unterstützten. „In den USA hatten wir mal offene und professionelle Medien auf beiden Seiten des politischen Spektrums“, sagte er. „Was wir nun erleben, vor allem auf der rechten Seite, ist ein eher parteipolitischer, propagandistischer Umgang mit Nachrichten.“
Das könnte dazu führen, „dass bei der US-Präsidentschaftswahl 2024 ein Kandidat, der nicht rechtmäßig gewählt wurde, trotzdem den Sieg für sich beansprucht“. Diese Besorgnis hat auch der zurzeit tagende Untersuchungsausschuss des Kongresses zum Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 geäußert. US-Medienkritiker hatten der „New York Times“ vorgeworfen, solche Gefahren in ihrer Berichterstattung zu vernachlässigen. Kahn wies diese Sichtweise zurück.
„Wir tun unser Bestes, um hart über diese Themen zu berichten“, sagte er dem „Spiegel“. Auch lehnte er die nach seiner Ernennung erneut aufgekommene Kritik ab, die „Times“-Redaktion sei nicht divers genug aufgestellt. „Sowohl in der Führungsebene als auch in der Redaktion haben wir die Diversität hinsichtlich Geschlecht oder Hautfarbe verbessert“, sagte Kahn. „Die Macher von Journalismus müssen das Land und die Welt, über die wir berichten, widerspiegeln.“
Kahn riet seiner Belegschaft außerdem von einer allzu starken Präsenz auf Twitter ab. Manche Reporter sähen sich geradezu verpflichtet, bei Twitter aktiv zu sein, „um an Informationen zu gelangen, um Ideen zu finden, um eine Fangemeinde für ihre journalistische Expertise aufzubauen“. Es könnte stattdessen sinnvoll sein, „ein bisschen weniger zu tun“. Man drohe seinen journalistischen Instinkt zu verlieren, wenn man sich dauernd auf endlose Twitter-Debatten einlasse.
„Wir geben denjenigen, die unserer Meinung nach die Grenze überschreiten, ein klares Feedback“, sagte er über die internen Twitter-Regeln der „Times“. „Wir wollen nicht, dass sie sich in sinnlose Kämpfe mit Kritikern oder Trollen auf Twitter verstricken.“
Foto: Times Square in New York (dts)